Jedes Ding hat seine Zeit. So auch dieses Blog. Berlin ist groß und schnell, und wir sind zu klein und langsam, um den Wandel auch nur teilweise abbilden zu können. Deshalb: Danke für's Lesen und Kommentieren. Ab sofort ist das Blog im Archiv-Modus und bleibt voraussichtlich stehen, vielleicht bis Google den Blogger-Dienst einstellt.
Samstag, 2. Juni 2007
Unter den Augen von Shah Rukh Khan - Bollywood in Plagwitz
Mit der Einleitung "Vor einiger Zeit" fängt der Schreiber gerne an, wenn ihm kein richtiger Einstieg in die Geschichte einfallen will. Deshalb: Vor einiger Zeit waren wir im Leipziger Westen mit dem Auto unterwegs und als bekennenden Bollywood-Kinoliebhabern fiel uns natürlich die gleichnamige Ecklokalität ins Auge. Leider vergaßen wir, uns die Adresse aufzuschreiben ("Das finden wir schon wieder!") und irrten dann ein paar Wochen später mit mächtigem Appetit auf indisches Essen verzweifelt durch Lindenau. Waren wir einer kollektiven Wachparanoia erlegen, hatte der übermächtige Wunsch nach einem guten Inder uns ein Traumbollywood erschaffen lassen? Natürlich nicht, wie uns die Gelben Seiten verrieten. Seltsamerweise haben sich die Besitzer nur bei den Bringdiensten einsortieren lassen, die Rubrik Restaurants aber vergessen - vollkommen unverständlich bei der geboteten Küche. So betraten wir mit Freundin V. das erfolgreich in der Erich-Zeigner-Allee 58 in Plagwitz lokalisierte Bollywood.
Das Restaurant erwartet die Gäste mit schön gedeckten Tische im hinteren Teil. Der Bringdienst ist vernachlässigbar, dort gibt es das typische Mischmasch aus Pizza, Schnitzel, mexikanisch, chinesisch, Steak, Pasta, Döner, Bauernfrühstück - indische Gerichte findet man zwar auch, aber die haben mit denen im Restaurant wenig gemein. Hier dudelt in angenehmer Lautstärke indische Filmmusik vor sich hin, der Kenner sieht sich Aug' in Aug' mit Superstar Shah Rukh Khan, der den Gastraum von einem Kinoplakat aus überwacht. Dann kann ja nichts schiefgehen. Der aufmerksame und freundliche Kellner brachte die Karte, die einen interessanten Querschnitt durch die indische Küche bietet, ohne überladen zu sein. Gut gekühlt waren die Getränke, die Apfelschorle (1,50 Euro für 0,2 l) wird selbst gemischt, die Bierpreise (3 Euro für den halben Liter Pils und Weißbier) sind nicht gerade in Discountsegment angesiedelt. Wir bestellten zur Einstimmung Samosas (gefüllte Teigtaschen) und Pakoras (frittiertes Gemüse), die nach einer angemessenen Wartezeit serviert wurden, frisch zubereitet, mit pikanter Würze (um die 3,50 Euro). Ganz unindisch gab es vorab einen grünen Salat zur Einstimmung, dazu wenig aufregende Papadums (Linsenfladen).
Ich hatte mich für Tandoori-Chicken (12,50 Euro) entschieden, denn die Erinnerung an ein bis heute unübertroffenes Exemplar bei einem winzigen Erlanger Inder (den es leider so nicht mehr gibt) lässt mich bis heute nicht los. Ausdrücklich hatte ich mein Essen scharf geordert, was für die zarte-saftigen Hühnerbeine auch zutraf. Das rote Gewürzpulver ließ die Hühnerhaut vor Schärfe sanft prickeln, das Fleisch hatte den typischen Tandoori-Geschmack.
Die Soße, liebevoll in einer kupfernen Chaudiere angerichtet, hätte allerdings mehr als nur ein paar zusätzliche Spritzer Chili vertragen. Es könnte aber auch sein, dass ich durch jahrelange koreanische Feuerkost im Tobagi schon zu abgehärtet bin oder doch nicht nachdrücklich genug bestellt hatte. Als Beilage gab es außer der kremigen Soße, wie auch zu den anderen Gerichten, eine große Schüssel gelben gewürzten Reis, der nach den Vorspeisen und angesichts der Portionsgrößen locker für uns drei ausgereicht hätte. V. jedenfalls strich, nachdem sie die Hälfte ihres Gemüsespießes (10,50 Euro) vertilgt hatte, die Segel. Vielleicht hatte sie auch zuviel von dem saftigen, mit Vollkornmehl gebackenen Tandoori Roti (1,50 Euro) genommen - sie gab auf und ließ sich das restliche Brot einpacken.
Als der Gemüsespieß serviert wurde, rätselten wir zuerst, ob das nun das richtige Gericht wäre, was daran lag, dass die Küche freundlicherweise den Spieß bereits entfernt hatte. Glücklicherweise, möchte ich sagen, denn ich saß V. gegenüber und wer weiß, ob dann beim Abstreifen nicht die eine oder andere Aubergine über den Tisch gehüpft wäre. Wasabi schließlich machte den Schärfetest und bestellte sich Chicken Vindaloo (9,50 Euro). Das ist bekannt für seine schweißtreibende Würzung, fällt aber nach unserer Erfahrung leider allzu oft westlich lasch aus. Nicht so im Bollywood.
Verheißungsvoll dunkelrot schimmerte die Soße, in der die Hühner- und Kartoffelstücke leise brodelten. Und für die Röte waren keine Tomaten, sondern eine ordentliche Portion brennendscharfer Chili verantwortlich, der sogar mir die Schweißperlen auf die Stirn trieb. Ich fühlte mich wieder an das kleine Erlanger Restaurant erinnert, in das mich meine Tante vor unendlichen Zeiten ausgeführt hatte. Normal, scharf, indisch scharf stand für jedes Gericht zur Auswahl. Von meiner wagemutigen Entscheidung für indisch scharf konnte mich meine liebe Verwandte - gottseidank - noch abbringen, denn auch die mittlere Stufe brachte mich damals an den Rande eines inneren Hitzschlages. Fazit: Scharf im Bollywood heißt auch scharf. Um einen alten Sprachzopf zu verwenden: Bleibt zu hoffen, dass die Köche sich nicht der deutschen Angst vor Würze anpassen. Mit der Rechnung bekamen wir freundlicherweise auch eine Runde hochprozentigen Mangobrand serviert, was das gute Essen ordentlich abrundete. Hingehen und genießen!
2 Kommentare:
Ich würde gerne mitjubeln, aber als ich vor einem knappen halben Jahr mit Begleitung ebenfalls dort unsere Gaumen zum Tanzen bringen wollte, endete das Ganze leider im Desaster - weil wir keine Lust auf großes Essen hatten (ebenso wie der Kellner aufs Servieren), bestellten wir ein Potpourri aus Vorspeisen, die allesamt nach dem gleichen frittierten Etwas schmeckten (die Vegetarier-Begleitung konnte schlimmerweise noch nicht mal die Fleischfüllungen identifizieren) und trocken waren. Als Krönung zeigten die Kleinigkeiten eine enorm abführende Wirkung, so dass ich seitdem bei meiner Begleitung leider - trotz großer Indien-Begeisterung - "Bollywood"-Verbot habe.
Bei unserem Test Ende Mai war der Laden quasi gerade neu eröffnet - da hat der Enthusiasmus der Betreiber wohl nicht lange vorgehalten. Schade, denn auch unsere damalige Begleitung V., die über echte Indien-Erfahrung verfügt, fand das Essen recht gut.
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.