Samstag, 30. Mai 2009

Wieso man den Markt am Winterfeldtplatz zwei Jahre lang ignoriert

Nach dem heutigen Bummel über den größten Wochenmarkt Berlins (das behaupten Wikipedia und ein paar weitere Webseiten mit fast identischen Texten) frage ich mich das auch: Wie konnten wir diesen herrlichen Markt nur so lange links liegen lassen? Denn hier wurde ich von diesem Gefühl überwältigt, das mich regelmäßig auf südländischen Märkten befällt: Alles probieren und kaufen wollen, müssen, sollen, sich jedoch bei dem ganzen verlockenden Angebot nicht entscheiden können. An jeder Ecke duftet es anders, aber überall gut, locken ganze Käselaibe, Wurstberge, Gemüsehaufen, frische Fische und Kartoffelvielfalt.

Die wahrscheinlich kleinste Kaffeebar Berlins: Oblomovka Espresso braut im Laderaum eines italienischen Moped-Dreirads.

Kurz und knapp: Am Ende hatten wir Spargel, einen halben Ziegenkäse, ein paar interessante Kartoffeln und duftig-frischen Knoblauch im Einkaufsbeutel. Auch ein paar kostenlose Pflegetipps für meinen Granatapfel-Bonsai nahm ich mit nach Hause. Dieser, ein Geburtstagsgeschenk vom Vorjahr, stammt nämlich vom Winterfeldtmarkt. Der freundliche Zwergbaumzüchter war heute auch wieder vor Ort und gab gerne Auskunft.

Dem vielfältigten Imbissangebot widerstanden wir weitetsgehend. Dank eines ausgiebigen Frühstücks beschränkten uns auf frisch gepressten Orangensaft (1,50 Euro für 1/3 Liter) und einen Espresso (1,20 Euro) an einer mobilen Kaffeebar namens Oblomovka Espresso, gleich beim Bonsaimann um die Ecke.

Eine Frage, die mir bestimmt niemand beantworten kann: Weshalb haben Töpferstände auf Märkten nur entweder grob gearbeitete, hässlich glasierte Seifenschalen oder welche in Tierform im Angebot. Ich möchte meine Seife nicht auf Keramikfischen ablegen. Nein.

Dem Dialekt- und Sprachengewirr zufolge (Englisch, Bayrisch, Französisch, Pfälzisch, Schwäbisch, Italienisch) steht der Markt wohl als "Geheimtipp" in jedem Berlin-Reiseführer. Trotzdem: hingehen. Mittwoch und Samstag zwischen Nollendorfplatz und Hohenstaufen/Pallasstraße. Gut zu erreichen über U-Bahn Kleistpark oder U-Bahn Nollendorfplatz.


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Donnerstag, 28. Mai 2009

Fleischberg ist eben nicht alles

Mit dem Mittagsimbiss ist das so eine Sache. Eigentlich befindet sich mein Arbeitsplatz inmitten einer Art Fressiversum: der Hackesche Markt als Zentrum einer Mampfgalaxie, umkreist von Imbissbuden, Tapasbars so groß wie der Leipziger Hauptbahnhof, Kaffeeröstern, Asiaschuppen. An den Verkehrswegen zum touristischen Schwerkraftzentrum: gigantische Dönerspieße, Pizza im Dutzend und Bäckerketten. Richtig gut finde ich bisher allerdings nur eine kleine Osteria, deren Standort ich aber (noch) nicht verrate.

Imbissstand Carnivore am Hackeschen MarktFür Tierliebhaber - Wraps satt ab vier Euro am Hackeschen Markt.

Am DienstagSamstag und Donnerstag steht dort, schräg gegenüber den Hackeschen Höfen, ein bonbonfarbener Imbissstand. Ich muss zugeben, dass mich der Name hinlockte. "Carnivore", Fleischfresser, heißt die Bude. Und das Sortiment hat folgerichtig eine Hauptzutat: Fleisch. Riesige Schweinekrustenbraten, Hähnchen Thai, Hähnchenschnitzel, Hähnchen in Honig, Hähnchen mariniert. Ein jung-dynamisches, multinationales Team säbelt diese in riesige Stücke und faltet sie in wagenradgroße Teigfladen. Weitere Bestandteile sind Salat, auf Wunsch Backkartoffeln ( + 50 Cent) , süße Chili- oder BBQ-Soße (und vielleicht noch andere, ich weiß nicht mehr) und Mayonnaise. Klingt lecker, nicht wahr?

Wrap mit SchweinebratenSuchbild: Salat, Soße und Schweinebraten. Aber wo ist der Geschmack?

Mein erster Versuch: ein "Hot Meat 30 cm Wrap" (4 Euro) mit in Honig mariniertem Hühnchen und Barbecuesoße. Braun, süß und klebrig durchtränkt sie zusammen mit der Mayo den Fladen. Doch wo ist die Würze? Das frage ich mich auch beim wabbeligen Honighuhn (ohne Knochen), das fast ohne Eigengeschmack auskommt, dafür kräftig saftet. Die Füllgarnitur aus Eisbergsalat hinterlässt keinen weiteren Eindruck. Hätte ich mal den Schweinebraten genommen. Den mit der verlockenden braunen Kruste.

Ein paar Wochen später treibt mich die Mittagspause wieder zu den Fleischfressern. Diesmal ordere ich für mein "Hot Meat 30 cm Wrap" beherzt den Schweinebraten und bekomme eine fast zentimeterdicke Scheibe zurechtgeschnitten. Als Würze wähle ich die süße Chilisoße und Mayonnaise.

Nach zirka zehn Minuten raubtierhaftem Reißen an der Bratenscheibe und heldenhaftem Ausweichen vor herumspritzenden Soßenkaskaden werde ich in Zukunft meinen Imbiss wieder woanders einnehmen. Wo man keine Angst vor auch geruchlich markanten Zutaten wie Zwiebeln, Knoblauch, Salz und Gewürzen hat. Mit der Hauptgeschmacksrichtung "Süß" kann ich mich einfach nicht anfreunden. Und weniger ist halt doch manchmal mehr. Weniger Masse - mehr Klasse. Mal sehen, was das Fressiversum für Alternativen an leckeren Kleinigkeiten bietet.

Sonntag, 17. Mai 2009

Tiere sehen uns an, sind uns fremd. Heute: Der Kalmar

ganze KalmareDiese Augen!

Ganze Tiere im Topf oder auf dem Teller sind ja immer so eine Sache. Ganze Hühner, Kaninchen, Wachteln oder die Forelle blau – Tiere sehen dich an. Kalmare haben ja nun beileibe keinen Niedlichkeitsfaktor für sich, keine Erinnerungen an Puschelfell, rosa zitternde Nasen und freundliches Gegacker, sondern den Alienfaktor. In den Tiefen der Straße von Gibraltar sollen sie in Mengen leben, ein Gewimmel von amorphen Armen, Beinen, Saugnäpfen und überdimensionierten silbergrauen Augen. In der Küche scheint die beliebteste Zubereitungsart das Fritieren zu sein, meistens nur der Körper als „Tintenfischringe im Backteig“, die so sauber und weiß gar nicht mehr an Tiefsee-Aliens erinnern.

Wer es also nicht ertragen kann, dass ihn das Essen ansieht, bevor es im Topf landet, und wer die Konfrontation mit merkwürdigem milchigen Schleim scheut, sollte fertig geputzte Tintenfischtuben kaufen bzw. bei zartbesaiteten Gästen rechtzeitig vorbereiten, nicht dass der Besuch am Küchentisch sitzt und womöglich in Ohnmacht fällt. Ansonsten ist das Ausnehmen einfach: Kopfteil (Auge und Arme) vom Körper ziehen, dabei kommt schon ein Großteil der Eingeweide (milchiger Schleim) mit. Körper sorgfältig ausspülen und das Kalkskelett, einen an steife Plastikfolie erinnernden durchsichtigen Streifen, herausziehen. Eventuell die gefleckte Haut vom Körper abziehen, Körper in Ringe schneiden. Arme nahe am Kopf abschneiden, kontrollieren ob auch nichts von dem harten Schnabel des Tieres mitgekommen ist und auch von den Armen eventuell die Haut abpulen.

TintenfischstückeSo sehen sie schon manierlicher aus

„Betrunkener Kalmar“, Kalmare mit schwarzen Oliven in Rotwein (nach Ghillie Basan, Die klassische türkische Küche, München 1998)

800g Kalmarringe und -arme
1 große Zwiebel, in Ringe geschnitten (am besten eine rote)
2 Knoblauchzehen, gehackt
3 Eßlöffel Olivenöl
3 Eßlöffel schwarze Oliven, halbiert
½ Teelöffel gemahlener Zimt
1 großes Glas kräftiger Rotwein (etwa 200ml)
Salz, Pfeffer, eventuell eine Prise Zucker
gehackte Petersilie

Olivenöl erhitzen, Zwiebelringe und Knoblauch andünsten, auf volle Hitze stellen und die Kalmarteile anbraten. Oliven, Zimt, Rotwein dazugeben und etwa 40 Minuten bei kleiner Hitze köcheln lassen. Mit Salz, Pfeffer und eventuell Zucker abschmecken, etwas grob gehackte glatte Petersilie unterrühren.

geschmorter Kalmar in RotweinWie immer bei Schmorgerichten sieht das Ergebnis nicht sonderlich spektakulär aus.

Die schwarzen Oliven bringen je nach Sorte eine mehr oder weniger starke Bitternote an das Gericht. Als Beilage passt am besten Weißbrot, wir haben aber auch schon Reste am nächsten Tag aufgewärmt und breite Bandnudeln darin geschwenkt. Vermutlich könnte man die geschmorten Kalmare als Vorspeise auch gut lauwarm servieren.