Montag, 24. März 2008

Ran an die Suppentöpfe im alten Westen - analog und unvernetzt

Gerade lese ich beim von mir geschätzten Thomas Knüwer, dass er bei seinen Berlinbesuchen gerne ins St. Oberholz am Rosenthaler Platz geht. Bouletten, Kaffee und Kuchen findet er gut. Aber, und das seine Botschaft, am Schönsten sei das dortige offene Wlan und dieses wunderbar typische Berlin-Mitte-Publikum, die Digitale Bohème.

Tja, ich arbeite in Mitte, wo mir täglich die Mitte-Leute über den Weg laufen (und ich ihnen), habe häufig auch beruflich mit der Digitalen Bohème zu tun, nehme in den gleichen Lokalen den Mittagsimbiss - wahrscheinlich gehöre ich sogar dazu. Aber es gibt eben, und das liest sich jetzt vielleicht sogar rückwärts gewandt, für mich viele Bereiche, die sollten einfach ohne Computeranschluss sein. Durch und durch analoge Orte, für analoge Beschäftigungen. Essen und Trinken sollte an so einem Ort stattfinden. Ohne Tastaturgeklapper, Festplattensurren und Lüfterschnorcheln. Ohne fortwährendes virtuelles Kommunizieren. Mit Menschen, die nicht unbedingt nach Mitte passen.

Lon-Men's Noodle HouseHier kann man nur eins - taiwanisch essen. Das aber richtig gut.

Lon Men's Noodle House ist ein solches Lokal - allein darauf ausgerichtet, exzellente taiwanesische Nudelsuppen, Dim-Sums und andere Köstlichkeiten der Formosa-Küche zu servieren. Im Fenster zur Straße sitzt eine junge Frau und faltet Teigtaschen, hinter der Theke nimmt die Chefin die Bestellung entgegen (und löffelt zwischendurch eine Suppe), ein älterer Mann bereitet die Gerichte vor. Ein bisschen, als ob man bei der chinesischen Oma in der Küche sitzen würde, findet Wasabi. Man isst in einem hellen Raum an sauberen nackten Tischen, an der Wand ein von Glücksbambus flankiertes Buddharelief, ein paar winzige Bilder. Sonst nichts. Und es ist so still, dass man fast über die eigene Stimme erschrickt. Kein Chinagedudel. Kein WLan. Und keine Digitale Bohème. Wir befinden uns im alten abgeschabten Westen, in der Kantstraße 33 in Charlottenburg. Keine feine Gegend, obwohl der Savignyplatz kaum einen Häuserblock entfernt ist.

Suppe mit Rindfleisch und ReisnudelnSuppe mit breiten Reisnudeln und Rindfleisch

Suppe mit Wan-Tan und NudelnNudelsuppe mit Wan-Tan

Chinesische MaultaschenChinesische Maultaschen

Wir bestellen zwei "kleine" Portionen - Wan-Tan-Suppe mit normalen Weizennudeln und Guo Tiao-Suppe mit Rindfleisch und breiten Reisnudeln (jeweils 3,80 Euro). Dazu zehn chinesische Maultaschen (6,00 Euro). Die Suppe ist köstlich. Wenn ich es mit diesem Asia-Instantzeugs vergleiche: die beiden Varianten des gleichen Gerichts verhalten sich zueinander, wie Dosenravioli zu hausgemachten Cappellacci. Herrlich auch die Maultaschen mit ihrer raffinierten Füllung aus Lauchzwiebeln, Ingwer und Schweinefleisch. Das nächsten Mal werde ich mich an den geschmorten Schweinemagen, den Rinderpansen, vielleicht auch an die Schweineohren wagen. Oder etwas Vegetarisches.Ich glaube nicht, dass man mit irgendeinem Gericht im Noodlehouse einen Fehler macht.

Fast ärgere mich jetzt darüber, dass ich das Lon-Men
jahrelang ignorierte. Einfach weil ich es so unschick fand. Großer Fehler - man sollte sich von solchen Äußerlichkeiten nicht täuschen lassen. Hätte ich doch mal auf die selbstbewusste Werbung am Eingang vertraut. "Preiswert und Gut" steht da. Stimmt genau.

Kaffee im Künstlerhaus

Café K im Georg-Kolbe-Museum BerlinKunst und Kaffee - passen wie immer gut zusammen.

Ganz weit draußen, wo sich sonst nur Fußballfans und Gartendiscountmarktbesucher hinverirren, versteckt sich das Café K. Wir stolperten auch nur darüber, weil wir unser Geld gern in Museen tragen (gestern enttäuschte uns eine gehypte, aber überschätzte Ausstellung der ebenso gehypten und überschätzten Bettina Rheims im c/o Berlin) - heute war das Georg-Kolbe-Museum in der Sensburger Allee unser Ziel. Das ist fast schon beim Olympiastadium. Obwohl der Rundgang durch die fünf oder sechs Räume nicht lange dauerte, hatten wir ganz schnell wieder unseren ständigen Begleiter an den Hacken: den schrecklichen Kaffeedurst. Direkt neben dem Museum hat sich im ehemaligen Wohngebäude des Bildhauers glücklicherweise das Café K eingerichtet. So schlürften wir einen passablen Cappuccino in einem wunderschönen Künstlerhaus der späten Zwanzigerjahre. Ins Café kommt man auch ohne Museumsbesuch, der Skulputurenpark im Garten ist frei zugänglich. Wenn man gerne in Bauhaus-Atmosphäre sitzt, lohnt sich der Weg auf jeden Fall.

Café K im ehemaligen Wohnhaus der Bildhauers Georg KolbeAußen Backstein, innen Bauhaus. Georg Kolbes Wohnzimmer ist jetzt ein Café.

Ostergrüße aus Sevilla

Kaninchen und Rebhühner in einer Markthalle von SevillaDiese Löffelträger durften den Ostermorgen nicht mehr erleben.

Ostern ist zwar fast vorbei, aber ich habe hier noch ein paar nette Bilder aus Sevilla. Denn diese Stadt feiert die Karwoche mit unvergleichlicher Inbrunst und den passenden Leckereien. Dazu gleich mehr. Als wir Ende Februar in der andalusischen Hauptstadt Frühlingssonne tankten, waren überall schon die Vorboten der Semana Santa zu sehen und leider auch zu hören. Der Osterhase scheint allerdings unbekannt zu sein, denn zu Kaninchen und Hasen haben die Andalusier ein eher pragmatisches Verhältnis. Die in ihrer Decke gut abgehangen Hoppels werden im Spaniens Süden stattdessen in Sherrysauce geschmort oder frittiert geliebt. Eier bringen sie jedenfalls keine, wie man in den Markthallen der Stadt sehen kann (siehe Bild oben).

Nazarener Bonboniere - Sevilla"Die tun nix, die wollen nur büßen." Pralinenschachteln in Nazarenerform.

Den Lebensraum, den bei uns Schokohase und Zuckerlamm bewohnen, füllen in Sevilla die Bonbonieren oder Zuckerfiguren in vorösterlicher Büßeruniform aus. Hunderte Mini-Nazarener glotzen einen aus Vitrinen und Schaufenstern der Konditoreien an. Die kleinen Figuren offenbaren eine überraschende Liebe zum Detail mit den Farben und Wappen der hermandades. Wir haben es nicht überprüft, aber es wäre durchaus möglich, dass sich alle Bruderschaften, die an den Prozessionen der Semana Santa teilnehmen, als Pralinenschachtel finden lassen. Doch das ist jetzt reine Spekulation. Wer jetzt nach Sevilla fährt, kann das auch nicht mehr vor Ort überprüfen. Denn die Karwoche ist vorbei, die Büßer und Pasoträger erholen sich bis zum nächsten Jahr und die bunten Figuren sind wahrscheinlich aus den Schaufenstern verschwunden. Wir waren leider auch vor den Prozessionen abgereist, der Urlaub war wieder viel zu kurz. Und bedauerlichweise habe ich mir nicht mal einen Zucker-Nazarener gekauft. Wie das Süßzeug schmeckt, weiß ich also auch nicht. Aber wenn ich mir die Farben so ansehe, bin ich froh, die Dinger nur fotografiert zu haben.

Nazarenos als Zuckernaschwerk - SevillaDen Nazarener gibt es auch zum Lutschen aus Zucker.

Sonntag, 23. März 2008

Sushi mit Wollaroma

Sushi Maki Nigiri gehäkeltBekommst du eigentlich auch immer Gänsehaut, wenn du auf Wolle beißt?

Erst als ich das erste Nigiri in den grünen Meerrettich tunken wollte, bemerkte ich die eigenartige Häkelstruktur und die zarten Härchen. Wasabis Sushi-Sucht schlägt also schon auf ihre Handarbeiten durch.

Samstag, 22. März 2008

Schnell noch für Ostern backen

Durch meinen sächsischen Besuch vergangenes Wochenende lernte ich nicht nur Manufactum kennen, sondern kam auch in den Genuss eines mitgebrachten Muffins. Eine Eigenproduktion von A., dem Essfreund aus dem Dresdener Nachbarstädtchen. Es war ein wirklich ausgezeichneter Muffin - A. ist anscheinend einer der wenigen Männer, die gleichermaßen gerne backen und kochen. Ehrlich gesagt bin ich auch etwas backfaul, mache mal eine Pizza oder, ganz selten, ein Sauerteigbrot. Und Milchstuten mit Rosinen. Mit weiblichen Pferden hat das nichts zu tun - ein (eine?) Stuten ist ein süßes Weißbrot. Wasabis Wunsch nach einem Ostergebäck und A.s inspirierender Muffin ließen mich also ans Werk gehen.

Rosinenstuten frisch und goldgelbRosinenbrot taugt für Ostersonntage zum Kaffee. Schmeckt aber auch an allen anderen Tagen.

Ein leckeres Ding. Mit ein bisschen Butter und was Süßem ein unschlagbarer Leckerbissen. Lust aufs Backen bekommen und für Ostermontag nichts zum Kaffee eingekauft? Dann mal los. Wir backen ein Rosinenbrot...

Backzutaten fuer einen RosinenstutenDie Backzutaten für Rosinenstuten hat man eigentlich immer daheim.

Die Zutaten
500 g Mehl (Type 405 oder 550)
1 Packung Trockenhefe oder 1/2 Würfel Frischhefe
1/2 TL Salz
50 g Zucker
2 Eier (Größe M)
200 ml Milch
60 g Butter
100 g Rosinen (egal ob Korinthen oder Sultaninen)
Bisschen Öl oder Butter zum Fetten der Backform
Das Mehl siebe ich in eine Schüssel und gebe wenig Salz dazu. Weil ich gerne einen Vorteig mache (angeblich braucht man den nicht bei Trockenhefe), drücke ich eine Mulde in die Mitte, gebe dort die Hefe mit dem Zucker hinein und vermische das mit ein bisschen Mehl. Ich gieße etwas von der angewärmten Milch dazu und verrühre alles zu einem Brei. Schüssel mit einem Tuch abdecken und etwas 15 Minuten einem warmen Ort (zum Beispiel auf dem Heizkörper) abstellen.

Während die Hefe vor sich hinblubbert, löse ich die Butter in der angewärmten Milch auf (nicht kochen!). Ist der Vorteig schön blasig, gebe ich Milch und Eier in die Schüssel zum Mehl. Letztens hätte mir ein faules Ei fast einen Spätzleteig versaut. Seitdem schlage ich sie zuerst zur Begutachtung in ein Schüsselchen.

Jetzt kommt das meiner bescheidenen Meinung nach Wichtigste für einen gelungenen Hefeteig: das Kneten. Und zwar mit der Hand. Dann spüre ich, wie er allmählich geschmeidig wird, sich der Weizenkleber entwickelt und die Zutaten sich zu einer homogenen Masse verbinden. Vielleicht bilde ich mir das ein, aber durch die Handwärme scheint die Hefe auch gehfreudiger zu werden. Nach ungefähr einer Viertelstunde Kneterei ist der Teig glatt und geschmeidig. Sollte er zu feucht und klebrig sein, einfach noch ein bisschen Mehl einarbeiten.

Rosinenstuten Hefeteig geknetetEine Viertelstunde Handarbeit macht den Hefeteig glatt.

Ein bisschen Mehl auf den Schüsselboden streuen, damit die Teigkugel nicht anklebt. Jetzt wieder abdecken und an warmer Stelle ungefähr eine halbe Stunde die Hefe ihr Werk verrichten lassen. Der Teig vergrößert sich in der Zeit ungefähr aufs Doppelte. Geduld!

Rosinenstuten Hefeteig geknetet und gegangenDie Hefe war fleißig.

Genau! So muss der Batzen aussehen. Eine fluffige, pralle Kugel, in die ich jetzt die Rosinen einarbeite. Drüber geben und kräftig durchkneten, bis die Weinbeeren gut verteilt sind und die Luft aus dem Teig verschwunden ist.

Rosinenstutenteig mit Rosinen eingeknetet und geformtGleich kuschelt sich die Teigwurst in die Form.

Jetzt rolle ich aus dem Teig eine Wurst in der Länge meiner Kastenbackform (Länge oben 30 cm, am Boden circa 26 cm). Diese habe ich mit geschmacksneutralem Speiseöl oder Butter eingefettet. Ich backe das Rosinenbrot bei ungefähr 220°C auf mittlerer Hitze im vorgeheizten Ofen. Das dauert etwa eine dreiviertel Stunde. Dann mit einem Messer oder einem Schaschlikstäbchen reinstechen. Wenn nichts kleben bleibt und der (die?) Stuten hellbraun ist, kann die Form aus dem Ofen. Fünf Minuten stehen lassen. Danach aus der Form holen und auf einem Rost abkühlen lassen. Schmeckt auch warm.

Freitag, 21. März 2008

Gutes kann ganz schön teuer sein

Letzthin klingelte das Telefon. Ein Anruf aus Sachsen, genauer aus dem Dresdener Randbereich. Es war A., seines Zeichens Nichtblogger, aber Kulinarier mit Rating AAA+. Dieser Mann wagte sich sogar schon an Kaffee, der vorher den Darmtrakt einer Schleichkatze passiert hat. An so ein Schmeckerchen traute ich mich bisher noch nicht heran.

Kalbsfond Vieux Sinzing und Apfelkrone Käse aus SüdtirolKalbsfond und Käse aus der Lebensmittelapotheke

A. fragte also, ob ich am Samstag Zeit hätte für einen kleinen Kaffee, er sei wegen einer Show im ICC in der Hauptstadt. Vielleicht könnte man ja auch gemeinsam den Manufactum-Laden in der Hardenbergstraße besuchen. Die hätten auch eine Lebensmittelabteilung. Klar, bei sowas bin ich immer dabei, vor allem weil A. mir erstmal vom tollen Fond ohne Geschmacksverstärker vorschwärmte den es dort gebe. Wie sich später herausstellte, liefert den ein Restaurant aus Sinzig an der Ahr, in dem Wasabi schon mal tafeln durfte.

Kaufen wollte ich nichts, aber als wir dann zu dritt (A. hatte noch einen Freund aus dem schönen, aber kulinarisch eher unterversorgten Mittweida mitgebracht) in der Brot & Butterabteilung von Manufactum standen, konnte ich doch nicht widerstehen. Weichgeklopft durch pausenloses Gerede vom Essen, leckeren Zutaten, selbstgezogenen Artischocken, und mit was sich diese beiden Hedonisten sonst noch beschäftigten, griff ich zu. Der Kalbsfond wurde eingesackt und an der Kühltheke kaufte ich den bisher teuersten Käse meines Lebens.

Kassenzettel Brotund Butter Berlin - Käse für 55 Euro/KiloKäse für 55 Euro das Kilogramm. Na Gottchen, wenn's sonst nichts ist.

A. und ich teilten uns diesen netten Südtiroler Rohmilchkuhkäse - sieben Euro für einen halben Minilaib ist noch überschaubar. Überschaubar war dann auch seine Lebenszeit. Am Dienstag war er bereits verschlungen. Sonst sind Camemberts und andere Weichkäse vor Wasabi ziemlich sicher, hier hörte sie nach dem ersten Kosten mit Probieren gar nicht mehr auf. Wie soll man den Geschmack beschreiben? Feines süßliches Apfelaroma (die braune Verfärbung ist übrigens eine Apfelscheibe) durchtränkt die Rinde, der halbfeste Teig schmeckt nach Südtirol, Dolomiten, Zirben und Rohmilch. Und Alpenglühen im Rosengarten.

Wer sich darunter absolut nichts vorstellen kann, muss sich nicht grämen. Einfach viermal auf den üblichen Industriecamembert verzichten und die gesparten acht Euro für den Erwerb einer halben Apfelkrone anlegen. Wer andere Bezugsquellen kennt: für sachdienliche Hinweise bin ich immer dankbar. Ich werde wohl meine Südtiroler Verbindungen mal auf die Suche schicken. Muss A. mal fragen, wie er ihm geschmeckt hat.

Den Kalbsfond haben wir übrigens noch nicht angebrochen. Aber ich vertraue mal auf das Urteilsvermögen von A. und den französischen Küchenchef aus Sinzig und freue mich auf die erste damit verfeinerte Soße.

Montag, 10. März 2008

Multikulti, aber keine gebackenen Karpfen

Heute liefen uns einige Briten im Park von Schloss Charlottenburg über den Weg. Auf meine Bemerkung, es gebe in Berlin eine Menge Menschen englischer Zunge, sagte Wasabi nur, hier gebe es von allem eine Menge, "nur keine gebackenen Karpfen." Da ist was dran, Menschenskind. Dass aber auch 90 Prozent unserer Gespräche beim Essen enden.

Fränkischer Spiegelkarpfen gebackenIch bin kein Berliner!

Samstag, 8. März 2008

Reise in den Frühling

Sandwiches bei Air BerlinDamit fing es an: Air Berlin, Käse- bzw. Putenbrustsandwich

Der Berliner Winter hat uns wieder. Montag hatten wir noch unter Orangenbäumen gefrühstückt, Dienstag Nachmittag schleppten wir uns im Schneeregen wieder über den Maybachmarkt.

Was war passiert? Der Lecker-Essen-Haushalt verbrachte die vergangene Woche in Sevilla bei angenehmen zwanzig Grad und Sonnenschein. Nach sechs olivenölgetränkten Tagen sind wir nun wieder zu Hause und beobachten an uns zwar gewisse Überdrusserscheinungen angesichts von Frittiertem, sind aber optimistisch, nach diesem Licht- und Farbenschub den Berliner Restwinter noch ganz gut zu überstehen.

Sevilla paseo cristóbal colónDas kam danach: Sevilla, Paseo Cristóbal Colón, 27. Februar, 20 Grad

Natürlich haben wir auch Tapas gegessen - praktisch ständig. Unsere Freundin T., seit bald zwei Jahren in Sevilla ansässig, meinte sogar, sie würde ihre Zeit fast nur mit arbeiten, essen und schlafen verbringen. Das Leben in Sevilla ist energieraubend, es wird viel und lange gearbeitet, das merkt man sogar als Besucher. Im Moment laufen die Vorbereitungen für die Semana Santa auf Hochtouren - entlang der Hauptstrecke der Prozessionen werden Tribünen aufgebaut, die Blumenrabatten bepflanzt, an der Uferpromenade und auf Parkplätzen proben abends die Musikkapellen der Bruderschaften, auf zahlreichen Baustellen im Stadtzentrum wird auch am Wochenende gearbeitet.

Essbares gibt es buchstäblich an jeder Ecke, und im Unterschied zu vielen anderen touristischen Zielen muss der Besucher nie den Eindruck haben, er diene skrupellosen Wirten nur als leichtes Opfer, um sich die Taschen zu füllen. Natürlich gibt es auch die üblichen Ketten, zum Beispiel fünf Starbucks-Filialen (deren Existenzberechtigung mir angesichts der Qualität des spanischen Kaffees, der in Sevilla etwa einen Euro kostet, allerdings nicht einleuchtet).
Die meisten Bars sind aber Familienbetriebe und sehen im Prinzip alle gleich aus: Bunte Kacheln an den Wänden, dunkles Mobiliar, ein paar Schweinebeine hinter der Theke, die Preise überall ähnlich moderat, das Essen wahrscheinlich nirgendwo ganz schlecht. Den Unterschied machen nur Kleinigkeiten aus: ob die patatas fritas selbst gemacht sind oder ob auf Fertigpommes oder gar Kartoffelchips zurückgegriffen wird. Ob die Salatbeilage ein Dressing hat, oder ob einfach ein paar nackte Streifen Eisbergsalat auf dem Teller liegen. Und nicht zuletzt das Vermögen der Bedienung, rudimentärstes Touristenspanisch wie unseres wohlwollend interpretieren zu wollen.

In jeder Hinsicht gut gefallen hat uns ein Besuch in der Bar Estrella in der gleichnamigen Gasse nahe Kathedrale und Plaza de la Alfalfa. Von der Calle Francos, einer Fußgängerzone zwischen Kathedrale und Iglesia de Salvador geht rechter Hand zwischen einem Laden für Möbelbeschläge und einem Laden für Fußballfanartikel eine winzige Gasse ab, die Calle Pajaritos, die nach hundert Metern direkt auf die Bar Estrella zu führt.

Die Bar Estrella bietet einige ungewöhnliche Tapas-Eigenkreationen wie zum Beispiel frittierte Auberginen mit Honig oder gebackenen Camembert mit Krabbenfüllung. Auch die Tapasklassiker wie chipirones (kleine zarte Tintenfische) werden mit Sorgfalt zubereitet und mit hübsch arrangierten Beilagen serviert.
Die Fleischspieße vom Grill kommen in Begleitung einer kreuzkümmeligen öligen Soße in einem kleinen Töpfchen, was sich zunächst nicht recht erklärt, sich nach dem Probieren aber als eine geniale Lösung für das leidige Würzproblem beim Grillen entpuppt. Wie oft habe ich schon Fleisch mariniert und dann festgestellt, dass nach dem Grillen oder Braten von dem Geschmack nicht so viel wie erwartet zurückgeblieben war. In diesem Fall kommt die Marinade einfach nachträglich ans Fleisch - eigentlich naheliegend, aber von selbst wäre ich da nie drauf gekommen.
Wir testeten auch noch das flamenquín, eine kleine panierte Fleischrolle mit Schinken- und Käsefüllung und köstliche anchoas fritas, kleine fritierte Sardellen, die man bis auf ein Stück Rückengräte komplett wegknurpscheln konnte.
Wegen dieser Anchovis wollte ich am letzten Abend auch noch einmal unbedingt in die Bar Estrella - aber ach, es war Sonntag und sonntags hat die Bar dann doch mal geschlossen.

(Übrigens hätten wir ohne T. die Bar Estrella nie gefunden. Schon bei der Suche nach unserem Hotel irrten wir mit einem Ausdruck von google maps umher, in dem ungünstigerweise nur eine Minderzahl der Straßen mit einem Namen versehen war. Später benutzten wir einen kostenlosen Stadtplan der Touristeninformation, der den Straßenverlauf zum Teil nur annäherungsweise wiedergibt und in dem die Pasarela de la Cartuja, eine 1991 gebaute Brücke über den Guadalquivir, nicht verzeichnet ist. Da wir diesen Übergang für eine der Brücken auf unserer Karte hielten, landeten wir unerwartet in einem Industriegebiet zwischen Brachflächen und den Überresten der Weltausstellung 1992. Unter anderem konnten wir auf unserem mehrstündigen Fußmarsch den bizarren Torre Schindler, die Verwaltungszentrale der Elektrizitätsversorgung und dem Turmbau zu Babel in gelbem Klinker mit stacheldrahtbewehrtem Zaun näher in Augenschein nehmen. Aus dem geplanten kleinen Spaziergang nach Triana wurde so ein Marsch von mehr als drei Stunden, bei dem GutesEssen irgendwann wimmernd bat, hier zurückgelassen zu werden, weil ich ohne ihn besser durchkommen würde. Nach dem Verzehr einiger frittierter Garnelen im Teigmantel konnte er den Rückweg glücklicherweise bewältigen.)

Dienstag, 4. März 2008

Jansen Bar revisited

Jansen Bar Berlin-SchönebergEinladendes Leuchten zwischen S-Bahn und Gasometerskelett

Cocktailbars sind meine Lieblingsorte zur Einnahme hochprozentiger Getränke. Wo sonst kann man sich als einsamer Mensch oder in geselliger Kleingruppe mit Stil ordentlich einen hinter die Binde kippen. Natürlich ist das Vergnügen deutlich hochpreisiger als in der kleinen Spelunke in unserer Straße, aber dort bekommt man weder eine anständige Irish Queen noch brauchbare White Ladies. In Leipzig landeten wir nachts häufiger im Madrigal - wo die Drinks wirklich blitzsauber gemixt sind. Aber Leipzig ist nunmal Geschichte (auch wenn es vorgestern sehr schön zum Flieger in 7000 Meter Höhe hochstrahlte...), und ich muss endlich mal davon loskommen.

Also empfehle ich jetzt einfach eine Bar in Berlin, die ich genau zweimal besucht habe. Die Jansen Bar in Schöneberg. An den ersten Besuch kann ich mich nur noch düster erinnern. Das aber hängt hauptsächlich damit zusammen, dass der schon mehr als ein Dutzend Jahre zurück liegt. Damals besuchte ich meinen guten Freund H. in seiner winzigen Einzimmerwohnung in Schöneberg. Geplant war ein Herrenwochenende, denn seine Freundin war an die Ostsee zu einem Kongress gefahren. Wir hatten schon einen feuchtfröhlichen Nachmittag und Abend hinter uns, als sie auf einmal im Zimmer stand. Sie hatte sich um eine Woche im Datum geirrt. Aber offensichtlich war sie trotzdem in Feierlaune (das ist sie eigentlich immer). Sie verfrachtete uns ins Auto und wir düsten in die Gotenstraße zur Jansen Bar. Nach einigen Cocktails war ich dann der Meinung, jetzt bräuchte ich etwas "Leichtes" - und bestellte mir einen Samubuca. Den kannte ich aus einer Fernsehwerbung, die damit endete, dass kichernde Kaffeebohnen begeistert ins Schnapsglas hüpften. So was kann nichts Hartes sein, dachte ich wohl in meinem Alkohol umnebelten Zustand und bestellte genau mit diesen Worten: "Ich hätte gerne was Leichtes - einen Sambuca."

Sambuca mit KaffeebohnenIm Fernsehen haben die Kaffeebohnen noch gekichert. Jetzt sind sie stumm. Wahrscheinlich hat sie der Alkohol betäubt.

Warum ich das noch so genau weiß? Weil mir der Satz von den Teilnehmern der Trinkrunde noch heute unter die Nase gerieben wird, wenn zu vorgerückter Stunde ein geistiges Getränk gereicht werden soll. "Willst du ein Bier? Oder lieber was Leichtes - einen Sambuca...?" Den Rest des Abends verschweige ich. In einer Zeit, wo Flatratesaufen langsam zum Problem wird und täglich volltrunkene 13-Jährige in Berlin von der Straße aufgesammelt werden, käme jeder weitere Schilderung als Verharmlosung von Alkoholgenuss an. Nur soviel: nach unserer Rückkeher in die Wohnung leerten B. und ich noch einer Flasche Wladmir-Jubiläumswodka. Das letzte Gläschen zwang mich dann zu einer gnuherdenartigen Ein-Mann-Stampede zur Toilette.

Vor ein paar Wochen war ich dann das zweite Mal in der Jansen Bar. Diesmal war H. bei uns Neuberlinern zu Besuch, er wohnt jetzt bedauerlicherweise in München. Ein Abstecher in der noch immer quicklebendigen Jansen Bar war jetzt natürlich Pflicht. Wir klingelten an der Tür. Denn die geht nur von innen auf, öffnete sich aber schon nach knapp 30 Sekunden. Die Bar war besetzt von schicken Jungen, die früher mal Yuppies hießen und sich für den Besuch der Clubparty (vormals Disco) aufwärmten. Wir fanden noch Platz im Raum hinter der Bar, zwischen Menschen unterschiedlichsten Alters und sexueller Orientierung. Auch zur Happy Hour, wo jeder Cocktail unter neun Euro für fünf zu haben ist, bekommt man sorgfältig gemixte Getränke.

Ein bisschen Geduld muss man schon haben, der Jansen-Barkeeper arbeitet nach dem Prinzip "Gut Ding braucht Weile" und liefert echte Qualität. Die Zeit bis zum Servieren der bereits erwähnten Irish Queen und White Lady versüßte beziehungsweise versalzte das kostenlos bereit gestellte Knabberzeugs. Unsere Cocktails waren köstliche, und auch der gigantische Iced Tea für H. wirkte absolut überzeugend.

Als ich meine Königin leergetrunken hatte, blieb dann nur noch ein finaler Akt: Was Leichtes zum Abschluss. Ein Sambuca. Ich bestellte wiederum mit genau diesen Worten, ohne aber eine merkbare Reaktion bei der Kellnerin zu erzielen.

Sambucca brennt42 Prozent sorgen anständig für Feuer.

Fast hätte ich mir am Glas noch die Lippen verbrannt - so ein Anisschnaps hat ordentlich Power. Allerdings war das mit Sicherheit mein letzter. Ich steh nicht so auf suß und klebrig. Den kommenden Besuch in der Jansen Bar werde ich mit was anderem abschließen.