Montag, 31. Dezember 2007

Mit Deef in der Goldenen Schildkröte

Tintenfisch in der Goldenen SchildkröteHabe ich schon mal erwähnt, wie gerne ich Tintenfisch mag?

Da schreiben wir über Currywurst, komische Asianudelsuppen und klitschige Waffeln. Und dabei verschwinden in den Untiefen von lecker essen! still und leise die wirklichen Gastromieperlen dieser Stadt. Beim Durchforsten alter Beiträge entdeckte ich nämlich gerade ein bisher nicht veröffentlichtes Posting zum Vietnamrestaurant Goldene Schildkröte - Kim-Qui (Torstraße 179, Berlin-Mitte). Keine Ahnung, warum das noch immer auf Veröffentlichung wartet, denn im Prinzip sind wir dort schon fast längst Stammgäste. Seit Juli habe ich bestimmt sieben oder acht Mal in dem Restaurant-Café, wie es sich selbst nennt, gegessen. Immer gut, immer sehr schmackhaft, immer mit ausgezeichnetem Service. Wasabi ist inzwischen auch Schildkrötenfan, und so war es fast schon vorbestimmt, dass wir gestern abend schon wieder in die Torstraße gondelten. Diesmal mit Deef, der zu Silvester einen kleinen Abstecher in die Hauptstadt gemacht hat.

Dank Deef kostete ich erstmals warmen Reiswein, den man aus einer Art Eierbecher trinkt. Während wir über alte Zeiten schwätzten und Wasabi dabei fast zu Tode langweilten, löffelten wir wunderbare Hühnersuppen (ich mit Glasnudeln, Wasabi mit Kokosmilch) und Deef verspeiste eine gedämpfte Hefeteigtasche. Den scharfen gebratenen Tintenfisch vom Foto gab es auch. Das Bild stammt vom Juli (so lange gärt dieser Beitrag schon in der Postliste vor sich hin...) - ich bin überzeugt, er hätte gestern kein bisschen schlechter ausgesehen. Aber Wasabi nahm im Hauptgang Rindfleisch mit Gemüse und Paprika (scharf!), ich das Schweinfleisch auf lauwarmen Reisnudeln. Deef (den ich ganz anders nenne) bestellte einen meiner Favoriten: knuspriges Huhn, süß-sauer mit Reis. Die Vorspeisen und Suppen kosten zwischen 2,50 und 3,80 Euro, die Hauptgerichte zwischen 6 und 7,50 Euro. Ein großes Bier gibt es hier noch unter drei Euro selbstverständlich im Glas und gezapft. Der Kaffee ist übrigens auch von bester Qualität. Also Ihr Hungrigen: nicht direkt am Rosenthaler Platz hängen bleiben, sondern noch 400 Meter Richtung Oranienburger Tor gehen. Es lohnt sich. So. Das ist mit Sicherheit der letzte Beitrag des Jahres 2007. Guten Rutsch.

Update 21. 5. 2008: Wie wir gestern gesehen haben, hat die Goldene Schildkröte zugemacht.

Punk is not dead ... und veganes Essen ist köstlich

restaurant zest

Beides mag überraschend klingen, beweist sich aber im tadellosen Restaurant Zest in der Bornaischen Straße 54 - im Vorderhaus des Zoro, einem sehr alternativen Veranstaltungsort für Punkkonzerte und Verwandtes. Zwischen den beiden Läden gibt es wohl personelle oder andere Verbindungen und zu späterer Stunde setzt sich manchmal die heftig tätowierte Küchenchefin raus an den Tresen - aber das Zest ist keineswegs ein verranzter Alternativentreff, sondern ein äußerst professionell geführtes Restaurant und nebenbei bemerkt eines der besten seiner Preisklasse in Leipzig.

Auf der monatlich wechselnden Karte entdecke ich jedes Mal etwas Neues. Die Gerichte bedienen sich aus verschiedenen Länderküchen von Orient bis Okzident, verwenden saisonale Zutaten und bieten überraschende Zusammenstellungen, neue Geschmackserlebnisse und Dinge, die ich einfach noch nie gegessen habe. Die Zest-Besatzung stellt alle Gerichte frisch her und verwendet keinerlei Fertigprodukte. Der Service tritt in der Ansprache weder zu salopp noch zu förmlich auf und kann sehr kompetent zu den Gerichten auf der Karte Auskunft geben. Genau so würde ich gerne überall bedient werden - und da meine ich nicht nur die Läden, wo sich überforderte studentische Aushilfskräfte redlich abmühen, sondern gerade auch Lokale, die offensichtlich nach Höherem streben.

Also gleich mehrere Gründe, unserem vorweihnachtlichen Kurzbesuch in Leipzig entgegenzufiebern, für den wir frühzeitig einen Tisch reserviert hatten - das Zest ist gerade am Wochenende abends meistens durchreserviert und da das Stuhlwerk in dem kleinen Raum mit den freiliegenden Backsteinwänden erheblich bequemer ist, als es aussieht, wird da meistens auch so schnell nichts frei. Freund R. musste nicht lange gebeten werden, GutesEssen und mich zu begleiten, denn neben dem Essen schätzt er die kleine, aber besondere Auswahl offener Weine, die man so in Leipzig kaum bestellen kann.

fruehlingsrollen

hummus mit fladenbrot

selleriepüree

Als Vorspeise bestellte ich die sensationellen knusprigen Frühlingsrollen mit Currygemüsefüllung und fruchtig-sauer-süß-scharfer Mangosoße (4, 50 Euro), GutesEssen verspeiste das Sellerie-Schnittlauchpüree in hauchdünnem Teig mit geschmortem Chicoree (5, 10 Euro) und R., der an einer Zungenverletzung laborierte, labte sich im ersten Gang an Hummus (Kichererbsenpaste) mit selbst gebackenem Fladenbrot (3, 90 Euro).

linsensalat

Kartoffelgnocchi mit rosmarinpesto

Als Hauptgericht wählte er, der lädierten Zunge wegen, den lauwarmen Linsensalat mit Lauchzwiebeln und Seitanspießen (7, 30 Euro), und erklärte ihn zum "besten Essen dieses Wochenendes". Gutes Essen und ich entschieden uns beide für die Kartoffelgnocchi mit Rosmarin-Walnuss-Pesto und marinierten Kräuterseitlingen (8, 90 Euro). Das Pesto wäre für mich Grund genug, mich für ein Küchenpraktikum im Zest zu bewerben - um herauszukriegen, mit welchen Geräten und Zutaten diese cremige angenehme Konsistenz erzielt wird. Vor etwa einem Jahr habe ich im Zest mal ein Cashewpesto gegesssen, davon träume ich heute noch. Die Kartoffelgnocchi hingegen zeigten gewisse Grenzen der veganen Küche: mit Ei im Teig werden Gnocchi einfach zarter.

schokoladenpannacotta mit balsamicokirschen

Brownies

Auch beim Dessert vermisste ich diesmal ein wenig die tierischen Produkte. Meine Schokoladenpannacotta (3, 90 Euro) war zwar schön bitterschokoladig und traf in der Kombination mit den Balsamicokirschen genau meinen Geschmack, ihr fehlte aber die schmelzende Cremigkeit und Geschmeidigkeit, die sich sonst aus der Kombination von Sahne und Gelatine ergibt, die bei Körpertemperatur im Mund schmilzt. GutesEssens Sojaquarkbrownie (2, 90 Euro) ließ hingegen nichts vermissen und wurde leicht warm serviert. R. bestellte noch ein Sojaeis (die Zunge!) und einen Espresso, den er geschickt an derselben vorbeikippte.

Heute, am Silvesterabend, serviert das Zest ein Menu mit acht Gängen - schade, dass ich nicht dabei sein kann, denn ein Restaurant dieser Klasse haben wir in Berlin noch nicht entdeckt. Gleich gehts raus ans Spreeufer, Feuerwerk gucken. Allen Lesern, die bis hier her durchgehalten haben, ein gutes neues Jahr - und immer einen vollen Kühlschrank.

Samstag, 29. Dezember 2007

Fastfoodwaffeln am Potsdamer Platz



Weihnachtszeit - Zeit der Übelkeit sage ich immer. Und, wie gehts euch da draußen? Ist der Magen nach der Weihnachts-Völlerei halbwegs wieder eingerenkt? Der Lecker-Essen-Haushalt laboriert nach einem unvorsichtigen Selbstversuch mit einem sehr fettigen Döner am zweiten Weihnachtsfeiertag (dazu später eventuell mehr) an leichter Magenverstimmung und betreibt partielle Nahrungsverweigerung.
In diesem Zustand durchtaumelten wir gestern nach einem sehr ausgedehnten Ausstellungbesuch die Potsdamer Platz Arkaden. Ich war schwer unterzuckert und brauche in diesem Stadium einen Kaffee und eine echte Sitzgelegenheit - keinen Stehtisch und keinen Barhocker, wie sie die unwirtlichen Freßabteile im Untergeschoß der Arkaden meistens bereithalten.

Eigentlich schon auf dem Weg nach Hause, wurden wir im Bratwurstbudengewirr am Eingang zur Bahn von zwei Gutscheinverteilerinnen aufgebracht. Zu wehrlos, um zu flüchten, zogen wir mit zwei Gutscheinen für ein Heißgetränk und eine "echte belgische Waffel" für 3,50 Euro von dannen, die wir im IceXoc am Potsdamer Platz 8 sofort einlösten, da der Laden leidlich bequeme Sessel bietet.

Der Cappucino kam schnell, war guter Durchschnitt, in der Situation sehr belebend, wäre mir mit einem Normalpreis von 2,60 Euro für die Qualität aber zu teuer.
Die Waffeln (Normalpreis 1,90) ließen länger auf sich warten, was zunächst gewisse Erwartungen weckte - die leider umgehend enttäuscht wurden. Diese festen, trockenen, außen harten, im Inneren etwas klitschigen gepressten Teigfladen hatten mit belgischen Waffeln, den gaufres, die es dort im Straßenverkauf gibt, wirklich nicht das geringste zu tun. Ich beglückwünschte mich im stillen, dass ich nicht noch eine der möglichen Waffelbeilagen - Eis, Sahne, Kirschkompott - bestellt hatte, und aß die Waffel trotzdem, weil ich die Kohlenhydratzufuhr gerade ganz gut gebrauchen konnte.

Die Fahrt nach Hause verbrachten GutesEssen und ich mit Spekulationen, ob wir gerade einer weltweit operierenden Waffel-Systemgastronomie aufgesessen waren, die ihre Franchisenehmer mit einer Waffelbackmischung beliefert, die nur noch mit Wasser angerührt werden muss. Ein Blick ins Internet belehrte mich, dass sich am Potsdamer Platz allenfalls die Keimzelle dieser Waffelfastfoodkette befindet, die angeblich "ausschließlich natürliche Produkte" verwendet. Nunja, bei Burgerbratern kann man ja jetzt auch Salat essen.

Donnerstag, 27. Dezember 2007

Tapasperle in Treptow

Tapas sechs in BerlinSollte man nicht den Leuten von BKA und Zitty überlassen

Die Gegend um den S-Bahnhof Treptower Park gehört nun wirklich nicht zu den Zentren gastronomischer Hochkultur in dieser Stadt. Viel Imbisskrams, der übliche Döner plus Begleitumstände (Fettgeruch, billige Getränke, entsprechendes Publikum), die unvermeidlichen Fastfoodketten. Aber gleich hinter dem Parkcenter, dort wo das Parkhaus seinen Inhalt ausstößt, entdeckte Wasabis Nase eine echte Perle, die ich jetzt ins grelle Licht dieses Blogs zerre. Ganz aufgeregt war sie nach Hause gekommen. Da sei eine Tapasbar in der Beermannstraße 6, die müssten wir einfach testen. Auf die Spur gebracht hatte sie köstlicher Duft nach frisch angedünstetem Knoblauch, der aus einem winzigen Lädchen in ihre Spürnase sickerte. Inzwischen haben wir die Geruchsquelle mehrfach besucht und werden es mit Sicherheit wieder tun.

Um es kurz zu machen: Das Tapas 6 ist ein echter Geheimtipp, der es verdient, diesen Status zu verlieren. Das Konzept sieht so aus: Ein grundehrlicher Mann bietet hier im Alleingang grundehrliche, kräftige spanisch-portugiesische Küche zu absolut grundehrlichen Preisen. Kein Firlefanz, keine Folklore, kein Hasta la vista, Baby. Dafür täglich (außer Montag und Sonntag, da macht der Koch Ruhetag) ein halbes Dutzend wechselnde warme Gerichte, vor allem Tortillas und sagenhafte Eintöpfe, eine Karte mit kalten und warmen Tapas, der Serranoschinken wird vor den Augen der Gäste vom Schweinebein gesäbelt. Außer den Getränken ist hier nichts konfektioniert - und an Knoblauch, Olivenöl und Schärfe wird nicht gespart. Es gibt spanisches Bier aus der Flasche und die beiden Hausweine - rot und weiß - sind echte Schmeckerchen. Der Wirt verzichtet auf die (nach meiner Beobachtung) übliche Berlin-Mitte-Taktik, moderate Essenpreise (im Tapas 6 ab ungefähr 3 Euro) mit teuren Getränken zu kompensieren.

Derzeit rekrutiert sich das Stammpublikum vermutlich hauptsächlich noch aus MitarbeiterInnen des benachbarten BKA, die ihre Kantine satt haben. Außerdem könnte man auch Mitglieder der Zitty-Redaktion unter den Gästen vermuten. Die Redaktion des Stadtmagazins residiert nämlich keine 300 Meter entfernt an der Elsenstraße und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Gastroredaktion diese kleine Perle vor Ihrer Nase noch nicht entdeckt haben soll. Ein bisschen Muffe, zu viele Leute könnten jetzt unsere kleine Entdeckung stürmen, habe ich schon. Die Bar hat vielleicht zwölf Sitzplätze, das kann schnell eng werden. Aber da sich das Gute sowieso meist schnell herumspricht, will ich diesmal der erste sein, der einen echten Geheimtipp in die Welt hinausposaunt.

Mittwoch, 26. Dezember 2007

FddF (letzte Folge): Fahren wir nach Merzbach?

Gasthaus Kirchberger Merzbach TrautskirchenWas lockt da in der Dunkelheit?

Gestern hatten wir ein ausgiebiges Weihnachtsmenü. Nach Frühlingsrollen, Ente mit Rotkohl und Semmelklößen, sowie einer ordentlichen Mousse au Chocolat fällt es mir nicht ganz leicht, über vergangene Schlemmereien in Franken zu schreiben. Aber ich hab's versprochen und außerdem ist das Gasthaus Kirchberger in Merzbach im oberen Zenntal unbedingt empfehlenswert.

Seit Wasabi vor paar Jahren die dortige Landküche gekostet hat, ist jede Frankentour zwangsläufig mit einmal essen gehen in dem Bauerndörfchen gekoppelt. "Fahren wir nach Merzbach?" ist keine Frage, sondern ein Befehl - dem ich aber immer gerne nachkomme. Die Anreise ist nicht ganz einfach, ohne Auto geht nichts. Was etwas schade ist, denn der Wirt kredenzt einen überaus delikaten selbst gebrannten Obstler. Wenn man von Westen kommend die Metropole Trautskirchen erreicht hat (bisher einziger bekannter Trautskirchner war der erste DGB-Vorsitzende Hans Böckler), sind es nur noch ein paar Minuten bis in den Ort mit seinen ungefähr 40 Häusern und Ställen. Die Wirtschaft ist nicht zu übersehen. Einfach halten, wo alles zugeparkt ist.


Merzbach liegt vielleicht in der Peripherie, aber die Fahrt lohnt sich

Beim vorigen Besuch hatten wir dort einen hervorragenden Karpfen verspeist. Weil wir aber schon am Vortag bereits jeder ein Exemplar bestellt hatten, griffen wir diesmal zur Wildkarte. Denn neben den üblichen fränkischen Traditionsgerichten (Schweinebraten, Schäufele, Schnitzel, Bratwurst) findet der Gast regelmäßig Gerichte der verfeinerten und ambitionierten Landküche. Wie mir der Wirt erzählte, hat sein Sohn eine Lehre als Koch gemacht und sammelt jetzt Erfahrung. Das lässt hoffen, dass die Kirchbergertradition weiterleben wird, die sich auf regionale Zutaten und auch eigene Tierhaltung stützt.

Wildwochen im Gasthaus KirchbergerVormerken: im November sind Wildwochen!

Als wir eintrudelten waren gerade Wildwochen - mit Wildschwein, Hirsch, Reh, Hase auf der Karte. Wasabi nahm das Wildschweinsteak mit Esskastanien-Weintraubensoße, dazu kross gebratene Kartoffelplätzchen (12,00 Euro). Ich entschied mich für die Wildhasenkeule mit Semmelklößen (10,00 Euro). Zur Einstimmung löffelte ich eine Wildkraftbrühe mit gefüllten Teigtäschchen (3,00 Euro). Derweil spachtelten am Nebentisch drei mächtige Damen ein Menü aus dem traditionellen Kapitel der Speisekarte in sich hinein. Nach einem Riesenteller mit Knoblauchbrot vernichteten sie eine Grillplatte (Berg Fleisch mit Berg Pommes), Karpfen und etwas, das ich nicht sehen konnte. Dann noch schön Spezi und gemischte Eisbecher mit Sahne satt. Übergewicht ist kein Zufall. Hauptsache, es schmeckt.

Entgegen der üblichen Praxis machte ich diesmal keine Fotos von den wirklich äußert appetitlichen Tellern. Denn wir standen unter scharfer Beobachtung der Stammgäste, die in ihrem Dorfgasthof zum Schafkopf ihr Feierabendbier trinken (2,00 Euro der halbe Liter "Tucher Übersee"). Deshalb müssen uns die Leser auch so glauben, dass die Gerichte herrlich angerichtet waren und die Menge auch starke Esser zufrieden stellt. Zusammen mit dem Salatteller und der Vorsuppe - die fast schon als eigene Mahlzeit durchgehen könnte - ließ die (riesige) zarte Hasenkeule leider keinen Platz mehr für die Nachspeisen. Wasabi ging es mit dem Wildschwein ähnlich, und so rundeten wir das Menü mit zwei Espressi ab (je 1,60 Euro). Tatsache: Wirt Helmut Kirchberger serviert einen ausgezeichneten italienischen Kaffee, und das ist für die fränkische Provinz ein ganz außerordentliches Angebot.

Für die an die Wohnung gefesselte Oma bestellten wir noch eine gebackene Karpfenhälfte mit, dazu packte der Wirt eine ordentliche Portion Kartoffel- und Krautsalat (alles zusammen für 7 Euro!). Der Fisch war hervorragend fritiert, einfach perfekt! Das bekommt wirklich nicht jeder so hin. Wir bekamen ihn noch schön warm zur Oma (ihres Zeichens eine legendäre Karpfenbäckerin), die den Karpfen jubelnd in Empfang nahm. Ein bisschen überkam mich dann schon der Neid, als sie dem Tier die krossen Flossen herausdrehte und genussvoll wegknusperte.

Es war wieder ein rundum gelungener Wirtshausbesuch, auch weil wir schlauerweise diesmal unter der Woche eingekehrt waren. Denn gerade am Wochenende ist es in Merzbach häufig rappelvoll - die gute Küche ist in der weiteren Umgebung schon lange kein Geheimtipp mehr, wie andere auch schon festgestellt haben. Also wochentags kommen, sich vorher nach Ruhetagen erkundigen und dann genießen.

Ach ja: Norddeutsche könnten ein paar Probleme mit dem Hörverstehen haben, denn natürlich sprechen außer den Gästen auch die Wirtsleute alle nur fränkisch. Aber die Karte ist in Hochdeutsch geschrieben. Guten Appetit.

Gasthaus Kirchberger
Merzbach 4
90619 Trautskirchen
Telefon 09107/808
Fax 09107/9695

Freitag, 21. Dezember 2007

Frohes Fest!

Ha, endlich Weihnachten. Zumindest anreisetechnisch. Denn ab heute setzt sich der große Reisetrek Richtung Geburtsstätte und Elternheimat in Bewegung. Hier kann ich dem Kolumnisten eines hiesigen Stadtmagazins nur zustimmen: Endlich fahren die ganzen Schwaben, Sachsen, Rheinländer wieder dorthin, von wo sie sich einstmals auf den Weg gemacht haben. Das sage ich als ferkelfrisch Zugezogener ganz frech. Die Auswirkungen merkt man, zumindest bei uns im Viertel, sofort: Unmengen von Parkplätzen sind auf einmal verwaist. Bei der Auswahl konnte ich mich erst gar nicht entscheiden, wo ich mein Auto abstellen soll.

Wie der genannte Kolumnist werden wir die sich offensichtlich entvölkernde Stadt genießen, ein wenig durch vormals chronisch verstopfte Gegenden cruisen und gemütlich das eine oder andere Lokal "zwischen den Jahren" aufsuchen. Keinen weiteren Besuch werden wir den örtlichen Weihnachtsmärkten abstatten, auch wenn für einige der Budenstädte das Fest diesmal bis Silvester dauert (siehe unten).

Die Leckeresser wünschen ihren Lesern schon mal ein schönes Fest - mit einer anheimelnden Impression von der Weihnachtsmarktmeile rund um die Museumsinsel.

Weihnachten in MitteIhr Käuferlein kommet!

Weihnachten, die Zeit der scharfen Messer

Das AusbeinmesserSchön, wenn Messer so richtig scharf sind.

So, Weihnachten kommt. Das wissen wir ja alle. Jetzt wird wieder allerorten gebacken (oder ist das schon wieder vorbei?) und gebrutzelt. Menschen, die ihrem Körper übers Jahr mit Currywurst, Fertigpizza und Kantinenessen malträtiert haben, wollen es nun wissen. Sie kaufen Enten, Gänse, Karpfen, um die Tierchen in Pfanne und Bräter zu hauen. Und dann werden erstmals die teuren Kochmesser ausgepackt, die zusammen mit der neuesten Rezeptschwarte von Tim Mälzertm im Jahr zuvor auf dem Gabentisch lagen. Was Ihr auch tut, liebes Kochvolk: gebt auf eure Finger acht. Neue Messer, vor allem wenn es hochwertige Marken aus Solingen sind, sorgen schon bei leichten Berührungen für tiefe Schnittwunden. Wie zum Beispiel dieses Ausbeinmesser mit seiner flexiblen Klinge. Damit entfleischt sich so eine Schweinshaxe wirklich nullkommanix, ein Finger aber auch, wenn man vorher nur mit stumpfen Blechinstrumenten zu Werke gegangen ist. Frohes Kochfest!

Samstag, 15. Dezember 2007

Friss dich durch Franken IV: Gewürzverkauf im Spielzeugstadion

Die Sache mit den städtischen Beinamen hatten wir ja kürzlich schon. Nürnberg ist aus Tradition Spielzeugstadt, wobei sie immerhin so selbstbewusst ist, sich auf dem Ortsschild nicht so zu nennen. Tatsächlich stammen aus Nürnberg/Fürth und dem Umkreis so ungefähr alle unsere vormaligen Kinderträume aus Plastikspritzguss: Playmobil aus Zirndorf, das Bobbycar aus Fürth-Stadeln und Burghaslach, Bagger und Mähdrescher von Bruder-Spielwaren und die Carrera-Bahn ebenfalls aus Fürth, Ministeck (kennt das noch jemand?) wird in Retzelfembach (sprich: Retzel-femmbach) produziert.

Playmobil sponsert das Stadion der Spielvereinigung Greuther Fürth, das demzufolge Playmobil-Stadion heißt und zu meiner anfänglichen Verwirrung so auch auf Straßenschildern ausgewiesen wird (ich hatte das natürlich mit der Playmobil-Arena verwechselt oder zumindest ein riesiges Playmobilmännchen auf dem Dach erwartet). In Wirklichkeit geht es doch nur um Fußball, aber auch ein wenig ums Essen, denn auf dem Stadiongelände hat auch der Greuther Teeladen, ein weiterer Fürth-Sponsor, einen Fabrikverkauf.



Der Laden bietet so ungefähr jedes heimische Gewächs an, das in eine Teekanne gesteckt und mit heißem Wasser übergossen werden kann, außerdem jeweils mehrere Regalmeter Früchtetees, schwarze, grüne und weiße Tees, Gewürze und Gewürzmischungen. Die Preise sind fabriksverkaufstypisch gering (nur Vanilleschoten kosten dasselbe wie überall), die Mengen manchmal leider auch, das heißt viele Gewürze sind nur in 100-Gramm-Beuteln erhältlich. Wirklich außergewöhnliche Gewürze gibt es nicht - eher das Sortiment eines durchschnittlichen Supermarktregals, dazu auch einige Mischungen, die zum Teil Natriumglutamat enthalten. Also ein guter Anlaufpunkt, um sonst schwer erhältliche Kräutertees zu besorgen, Basisgewürze aufzustocken, die Beute mit einem befreundeten Selberkocher zu teilen und eventuelle Fürth-Fans im Bekanntenkreis mit ebenfalls angebotenen Vereinsdevotionalien zu erfreuen.



Mein Kassenbon wünscht mir nicht nur einen guten Heimweg, sondern fragt auch "Nützen Sie unseren Versandservice? Bitte Versandliste anfordern!" Zwar geben weder Zettel noch Webseite einen Hinweis, wo man diese Liste anfordern kann, aber ich nehme an, dass eine kurze Mail an die Firma genügt.

Montag, 3. Dezember 2007

Knapp kalkuliert, Herr Wirt

Der Wirt der Osteria Mora Mora (Grünberger Straße 69, Berlin-Friedrichshain) ist ja wirklich ein unterhaltsamer Knabe. Macht lustige Löffelratespiele und flirtet mit den Damen. Nur wenn man was bestellen möchte, runzelt er die Stirne und schaut sorgenvoll. Weil wir immer genau das haben wollten, was es nicht mehr gab.

Ein Kärtchen auf dem Tisch lockt mit frischen Muscheln für 8 Euro, J. fragt mit mißtrauischem Augenaufschlag, ob es denn noch welche gebe. Leider nein. Na gut. Dafür serviert der Kellner einen Teller mit leckerem Bruschetta für alle. Ich nehme die Suppe aus Borlottibohnen, laut Karte scharf. Der Koch und ich haben eindeutig unterschiedliche Vorstellungen von Schärfe, außerdem war der Suppenchef nicht verliebt. Oder das Salzfass leer. Eine Rosmarinnadel schwimmt in der Suppe. Ich kann sie nicht schmecken. Die anderen Gerichte fordern ebenfalls massiven Salzstreuereinsatz. M. versucht ihren Linguine nachträglich etwas Pfiff zu geben, was ihr nicht recht gelingt.

Nun wollen wir uns wenigstens noch einen guten Nachtisch gönnen. Tiramisu: ist aus. Also bitte vier Pannacotta. Davon gibt es auch nur noch zwei - die teilen wir uns und finden die klebrige Erdbeersoße etwas zu süß, fast wie verdünnte Marmelade.

Die Preise sind ok, das Getränkeangebot erfreulich, die Atmosphäre ist angenehm rauchfrei, zweideutige aber recht spannende Bilder unterhalten und erfreuen das Auge. Jetzt noch italienische Würze in die Speisen und großzügigere Mengenkalkulation, dann wär's gut.

Sonntag, 2. Dezember 2007

FddF III: Der Aischgründer Karpfen - das Bressehuhn unter den Fischen

Fränkischer Karfen gebackenDa liegt er und wartet, dass man ihm die Flossen ausreißen möge.

Bei unserer Frankentour traf ich natürlich wieder alte Bekannte, die sofort wissen wollten, was ich denn in der Gegend so vorhabe. Wenn ich "Karpfen essen" sage, findet das niemand seltsam. "Soan'gudn wie bei uns grichst sunst närcherdwo!" sagen sie und geben dir gleich noch kostenlos einen heißen Tipp, welche Wirtschaft gerade "Kärbfli" anbietet. Es ist eine echte regionale Spezialität von ausgesuchter Feinheit und Qualität, so wie das Bressehuhn, die Sète-Austern oder die schwarzen spanischen Schweine für den Serrano-Schinken. Nur mit dem Unterschied, dass man die hochrückigen Aischgründer Spiegelkarpfen außerhalb ihres Aufzuchtgebiets meines Wissens nicht kaufen kann.

Auch in ihrer Heimat bekommt man sie grundsätzlich nur in den Monaten mit "R", also September bis April. Wer sie probieren möchte, sollte nicht bis zum Saisonende warten, denn meiner Erfahrung nach sind die knappen regionalen Bestände schon im März größtenteils verspeist. Meistens von den Franken selbst, die sich sofort nach dem Abfischen im Herbst ihre köstlichen Spiegelkarpfen einverleiben. Mit Kartoffelsalat als Beilage. Nein: Diese Tiere schmecken nicht schlammig-moorig-muffig und ihr Fleisch wabbelt nicht! Es ist mager, fest und hat einem nussigen, vollmundigen Geschmack, der leicht ins Süße changiert. Fett ist allein die frittierte Haut, aber panierte Schnitzel und Pommes sind das auch, und darüber beschwert sich kein Mensch. Blau gegart ist er dann extrem mager, aber wie das schmeckt kann ich nicht sagen - ich habe Karpfen niemals anders als gebacken zubereitet gegessen. Außerdem bekommt man kaum etwas Frischeres, denn erst bei Bestellung wird der zappelnde Todeskandidat aus seiner Wanne geholt und küchenfertig gemacht. Nur ein solcher Fisch krümmt sich so appetitlich auf dem Teller.

November ist erfahrungsgemäß ein guter Karfenmonat und unsere Freunde C. und M. hatten sich bereits erkundigt, wo wir ein gutes Stück Fisch bekommen könnten. Unser Wahl fiel auf Burgstall, einem winzigen Ort zwischen Tuchenbach (nur mit dem Auto zu erreichen) und Herzogenaurach. Letzteres kennt man von zwei wichtigen Sportherstellern und einem ehemaligen Fußballnationalspieler, in der Heimat Looda Maddäus ausgesprochen. Hier flechte ich unauffällig ein vollkommen unkulinarisches Detail ein, das in den offiziellen Matthäus-Biografien fehlt. Vielleicht bin ich dabei einem Prahlhans auf dem Leim gegangen, der immer behauptet, den Lothar "vu frieher" zu kennen. Nach dieser Auskunft hat der spätere Star des FC Bayern München die Jugendmannschaft der Frankenhöheauswahl mit seinem Spiel beglückt. Bekanntlich verschwand er dann mit kaum 18 Jahren nach Mönchengladbach. Auch der Karpfen konnte ihn nicht halten. Und Mitspieler, die heute behaupten, sie seien mindestens genauso gut gewesen, kickten bis zu den "Alten Herren" weiter bei Vereinen wie SV Rotweiß Mausdorf, FC Herzogenaurach oder dem TSV Markterlbach. Oder so. Zurück an den Wirtshaustisch.

Der Landgasthof Bär in Burgstall offeriert tatsächlich eine überzeugende Karpfenkarte. C., die sich nicht mit Gräten abmühen möchte, bestellt das Karpfenfilet, von dem sie später auch in den höchsten Tönen schwärmt. M., Wasabi und ich ordern - wie sollte es anders sein - jeweils einen halben Fisch. Der kommt nach angemessener Zeit und bin erstmal erschrocken über die Ausmaße. Während Wasabis 9-Euro-Exemplar genau die richtige Größe hat, überschritt mein Tier eindeutig die Idealgröße - der brachte vor der Halbierung eindeutig mehr als drei Pfund auf die Waage. Eine echte Herausforderung, die mich aber nicht schreckte, denn ich hatte Hunger, vom Appetit ganz abgesehen. Der letzte Karpfenschmaus war schon über ein Jahr her und der erste der Saison ist bekanntlich immer der beste.

Ich fange also an wie immer: Erst drehe ich ihm die knusprigen Schwanzflossen ab, verspeise sie krachend wie Kartoffelchips . Danach kommen die übrigen Extremitäten an die Reihe. Diese hier waren genau auf den Punkt frittiert. Dann arbeite ich mich vom Schwanz Richtung Kopf, ziehe das weiße Fleisch von den großen Gräten - kleine haben die Spiegelkarpfen nur noch sehr wenige. Köstlich. Zartnussig, schmelzend auf der Zunge. Der Kartoffelsalat, nach einheimischer Art ohne Mayonaise zubereitet, passt hervorragend dazu. Ein kleiner Wermutstropfen im Genuss allerdings war die Panade, die zu viel Fett aufgesogen hatte. Es könnte sein, dass das Fritieröl eine Spur zu kalt war, sei es dass die Küche zuviele Fische gleichzeitig garen wollte, sei es dass unser Exemplar einfach zu riesig war und die Friteuse deshalb zu stark abkühlte.

Milch und Rogen vom KarpfenKeine Ahnung wie man das schreibt: Fränkinnen und Franken sprechen es wie "Ing-graisch" aus.

Der Fisch selbst aber war hervorragend - keine Spur von Teichmuff (der mir, ehrlich! vollkommen unbekannt ist), nur vollmundiges weißes Fleisch. Als ich endlich beim Kopf angelangte und die Bäckchen aufknackte, musste ich den Gürtel lockern. Das lag aber auch an dem riesigen Teller mit Ingraisch, das M. als echter Kenner gleich mitbestellt hatte und an dem ich mich, geben wir es ruhig zu, eine Spur zu gierig bediente. Ingraisch (in der guten Wirtschaft gibt es das immer kostenlos dazu!) - das ist nichts anderes als Milch und Rogen vom Karpfen. Man kann sich natürlich bei der Vorstellung schütteln, ausgebackenes Fischsperma zu essen. Aber es schmeckt wirklich wunderbar, leicht sahnig mit einer kremigen Note und gar nicht fischig. Der Kenner bestellt es mit den Worten "Hamm sie a Ingraisch?" oder "Kämmer a Ingraisch hoom?" - sonst isst es die Küchenbesatzung selbst auf oder verschachert es an der Hintertür an die Stammgäste. 12,30 kostete meine Riesenhälfte, die mich sättigungstechnisch ans Limit brachte. Wasabi verspürte auch nach ihrem Exemplar keinen Hunger mehr, M. ließ sogar ein Stückchen übrig.

Fazit: Hervorragende Karpfen, preislich durchaus im gehobenen Mittelfeld. Leider wurde beim Backen ein bisschen daneben gegriffen. Wie sagte Wasabi, als wir recht gestopft zurückfuhren: "Punktgenaues Fritieren ist schon eine Kunst...". Stimmt. Wer es perfekt beherrscht, verraten wir in einer der letzten beiden FddF-Folgen.

Ein Besuch im Landgasthof Bär ist aber auf jeden Fall empfehlenswert. Bevor man aber zur Fahrt in die ländliche Ödnis aufbricht, ist ein Anruf ratsam. Sonst freut man sich auf einen schönen Karpfen mit Salat und dann haben die Franken schon alles selbst verdrückt.

Landgasthof Bär
Burgstall 29 - Herzogenaurach
Telefon 09132/747260