Samstag, 16. Juni 2007

Künstlerfütterung in der Gandine

Eingang zur Gandine
Die Lützner Straße trennt Plagwitz von Neulindenau und eigentlich gäbe es keinen besonderen Grund, dort hinzufahren. Die Straße ist jenseits der Merseburger Straße laut, voller verfallener Häuser und ohne nennenswerte Kneipen oder Kultureinrichtungen. Hätte nicht vor ein paar Wochen das Tapetenwerk ein bisschen frischen Wind in die Gegend gebracht. Gleich neben dem Eingang hat im ersten Stock die Gandine ein kleines Mittagslokal aufgemacht, die Galeristen und Künstler brauchen schließlich auch was zum Futtern. Für die Gantine-Macher ist es der zweite Anlauf, bis vergangenes Jahr boten sie in der Erich-Zeigner-Allee unter gleichem Namen erfolgreich einen Mittagstisch an, machten dann aber überraschend zu. Böse Gerüchte flüsterten von Problemen mit garstigen Nachbarn. R. war damals recht traurig, denn das Essen dort sei "einfach fabelhaft" gewesen, und das auch noch gleich um Ecke zum Arbeitsplatz. Jetzt muss er ein paar Meter mit dem Fahrrad fahren, aber was macht das schon, wenn man endlich wieder ordentliches Mittagessen bekommt.

Dass man richtig ist, verrät einem der Aufsteller mit den Tagesgerichten, über eine steile Treppe kommt dann in einen sehr großzügigen Raum mit echtem Malochercharme. Rollifahrern bleibt der Zugang leider wieder mal verschlossen, in der alten Fabrik fehlt ein Aufzug. Den Ausblick fand ich recht unterhaltsam, denn vor dem Fenster ziehen die Stromabnehmer - manchmal blaue Funken sprühend - der Straßenbahnen 8 und 15 vorbei. Sympathisch improvisiert ist die Einrichtung mit den etwas wackeligen Holztischen und -stühlchen. Für Menschen wie den sehr dicken Mann aus unserer Nachbarschaft wären sie aber nix.

Spanisches Sherryhühnchen mit Nudeln

Der Tag war heiß und ich dachte, ein geschmortes spanisches Sherryhühnchen wäre die richtige Wahl. Nicht so richtig angesprochen fühlte ich mich von der Polenta Narta, die etwas von Grießbrei mit Parmesansoße hatte. Am liebsten mag ich den Maisbrei in feste Scheiben geschnitten, kurz gebraten als Beilage. Zum Geflügel gab es Kräutertagliatelle, nicht sehr aufregend aber al dente gekocht. Das Sherryhühnchen (eigentlich zwei Hühnerbeine) schmeckte sehr individuell und kräftig gewürzt, mit leichter Paprikaschärfe. Gerade bei größeren Anbietern, wie sie die öffentlichen Kantinen bewirtschaften, stochert man leider oft in Standardgerichten mit Einheitsgeschmack herum - in der Gandine wird offensichtlich aus frischen Zutaten täglich gekocht.

Das Mobiliar

Dafür sprechen auch die Mengen - kurz nach unserer Bestellung gegen 12.30 Uhr strich die Essensausgeberin schon das Hühnchen von der Tafel und ersetzte es durch Bratwurst mit Kartoffelkuchen. Früh zu kommen (Öffnungszeiten von 11 bis 18 Uhr, Mittagstisch ab 12 Uhr) lohnt sich also. R. ließ sich einen ordentlichen Teller spanische Kartoffelsuppe mit Auberginen und Rindswürstchen munden, 1,90 Euro waren dafür ein mehr als fairer Preis. Zu unserem Hauptgericht durfte man sich noch einen sehr schönen Salat aus kleinen aromatischen Kartoffeln, grünem Salat und Joghurt-Dressing nach Geschmack nehmen. Alles drin in den 3,60 Euro für das Hauptgericht!

Kartoffel- und grüner Salat

Zwar bekommt man das Essen an den Tisch serviert, aber Bestecke und Getränke muss man sich - ganz kantinentypisch - selbst holen. Übrigens sollte man nicht versuchen, Messer, Gabel und Löffel passend zusammenzustellen, darüber könnte das Mittagsmahl kalt werden. Als offensichtlich sparsam eingerichtetes Unternehmen haben die Gandinler die Besteckgarnituren anscheinend aus 20 verschiedenen Quellen beschafft. Egal, Hauptsache es schmeckt.
Hat man Durst, bedient man sich an einem großen Kühlschrank, wo ich mir eine gut gekühlte Bionade für 1,50 holte. Wasser (Evian) kostet auch nur einen Euro - genauso wie der selbstgebackene Kuchen.

Kuchen

Ein Hefegebäck mit Aprikosen und Sandkuchen mit Schokoladenguss waren als Nachtisch für uns drei gerade recht, dazu nahmen wir einen ganz vorzüglichen Espresso (1,50 Euro). Wenn man nach dem Essen noch ein wenig sitzen bleibt, könnte einen schon wieder die Kauflust überkommen. Zum Beispiel nach Wein, selbstgebackenen Brot, Honig, verschiedenen Senfsorten, Nudeln und Pfälzer Saumagen in Dosen. Die Sachen sind rund um die Esstische verlockend aufgebaut und rufen "Nimm mich mit!". Wir widerstanden und zahlten unseren bescheidenen Obulus für ein wirklich gelungenes Mittagsmenü mit Geschmack von außergewöhnlichem Preis-Leistungsverhältnis.

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