Samstag, 19. Januar 2008

Erinnerungen an schlechtes Essen im Sommer

Vietnamesisches ImbissgerichtDas Bier war wenigstens kühl. Zeitung und das Zeug auf dem Teller spielen in der gleichen Liga.

Temperaturblogs gibt es noch nicht. Sonst würde schwüle Wärme aus diesem Sommernachtsfoto über die Tastatur des Notebooks wabern. Ich finde, der Januar (auch wenn er sich als November tarnt) braucht solche Bilder. Darum hier mein heißester Schnappschuss (ganz ohne nackte Haut): ein vietnamesisches Imbissgericht. Serviert an einem unangenehm dumpfigen Sommerabend im August vor einem Lokal am Weinbergsweg. Den Namen habe ich vergessen. Warum ich das Zeug bis auf einen ziemlich großen Rest nach dem ersten Bissen überhaupt aß, kann ich heute nicht mehr sagen. Vermutlich schlimmer Hunger. Ich kam vorbei, da holten Leute Zeug ab, also bestellte ich so ein süßsaures Zeugs. Hätte ich nicht tun sollen. Denn es war billig und es schmeckte billig, war grob geschnippelt und lavasoßig, es machte mir heftige Magenbeschwerden. Kann aber auch die Zeitung gewesen sein mit ihren ungenießbaren Artikeln. Oder beides. Und was trinke ich da eigentlich für eine Biersorte? Was man beim schlaflosen Durchforsten seiner Fotoarchive alles so entdeckt.

So - jetzt ein Beinahe-Themensprung, weil mir keine richtige Überleitung zu meinem Imbisstrauma einfällt.

Das schlechteste asiatische Essen aller Zeiten habe ich in England gegessen. Oder besser: weggeschmissen. Der Berlin-Mitte-Mampf auf dem Bild war gegen das Zeug ein göttliches Mahl.

Tatort: Dover, Kanalküste, vor längerer Zeit. Ich warte auf meine Fähre und habe noch ein paar wenige Pfund in der Tasche. Und Hunger. Großen Hunger. Auf der Suche nach Nahrung komme ich an einem Mitnahmerestaurant vorbei. "Best Chinese restaurant in town" steht da an der Tür. Rot unterstrichen mit Ausrufezeichen. Und ich glaub das. Kommen ja ständig Menschen mit Tüten raus, die ihnen eine chinesische Dame über die Theke reicht. Schweinefleisch gebacken, süßsauer bestelle ich. Irgendwas um die fünf Pfund. In der mir gereichten Tüte sind ein Teller mit Reis, ein Becher mit Soße, eine Pappschachtel mit kleinen Teigkugeln. Letzteres muss das Schwein sein.

Die Soße ist dünnflüssig und verdächtig rot. Der erste Bissen gesoßten Reises macht mich würgen. Heißes Zuckerwasser mit Essignote. Mit Soße ist der Reis ungenießbar. Ohne leider auch. Geschmack: destilliertes Wasser. Salz? War in den fünf Pfund wirklich nicht mehr drin. Das erste Mal, dass ich eine komplette Mahlzeit in den Mülleimer werfe. Das Schwein geht nämlich nach dem dritten Bissen den gleichen Weg. Denn beim Zerbeißen der Teigkugeln (dominierendes Aroma: überaltertes Frittierfett, alles absolut salzfrei) stoßen die Zähne auf kleine knorpelige Stückchen ranziger Provenienz. Klarer Fall für die Tonne.

Man sollte solche Erlebnisse nicht aufschreiben. Das versetzt nur die Magennerven wieder in Aufruhr. Aber wenigstens sind mir jetzt die Gemeinsamkeiten der beiden Erlebnisse klar geworden:
  • großer Hunger
  • Schwein süßsauer
  • Gruppendynamik (andere Menschen suggerieren durch Kauf Qualität)
  • sehr billig
Mir ist schlecht.

Freitag, 18. Januar 2008

Ein Brötchen namens Franz

FranzbrötchenUnsere Milchstraße soll einem Franzbrötchen gleichen

Wo wir gerade bei regionalen Spezialitäten sind: Da gibt es ja solche und solche. Welche, die sich in den letzten etwa zwei, drei Jahrzehnten über das gesamte Bundesgebiet verbreitet haben - wie die Thüringer Bratwurst, das Weißwurstfrühstück und die Maultasche - und andere, die schön in ihrer Region geblieben sind. Bei den kürzlich hier behandelten Karpfen ist das ja nicht weiter verwunderlich, schließlich ist der Grundstoff recht speziell und nicht sonderlich transportfähig. Bei anderen Erfindungen wundert es mich - warum gibt es zum Beispiel das Franzbrötchen aus Hamburg noch nicht im ganzen Land? Das blütenförmige Butter-Hefe-Zimt-Gebäck kann man gerade noch in Lüneburg kaufen, dann beginnt die franzbrötchenfreie Zone. Ausweislich der Fan-Webseite, die dieses famose Gebäck natürlich hat, gibt es lediglich einige Hamburger Bäcker, die im Exil weiterhin Franzbrötchen backen.

In die Hauptstadt haben es nur ein paar Franzbrötchen-Imitate geschafft, die schon beim ersten Biss offenbaren, dass hier nicht mit Butter gearbeitet wurde. Die perfekt geformten Exemplare in der Kamps-Filiale im S-Bahnhof Hackescher Markt sind zum Beispiel so ein Fall: stammen aus der Fabrik und sehen wesentlich besser aus, als sie schmecken. Die Franzbrötchen der Bäckerkette Steinecke haben einen seltsamen Marzipangeschmack - hat da der hauseigene Lebensmittelchemiker aus Versehen zum Bittermandelaroma gegriffen?

Um also in den Genuss eines Gebäcks zu kommen, das den goldgelb-überzuckerten Erinnerungen meiner Kindheit entspricht, bin ich mal wieder aufs Selbermachen angewiesen.
Auf der Franzbrötchen-Seite sind einige Rezepte verlinkt, unter anderem auch dieses, das dankenswerterweise den ganzen Ablauf im Bild zeigt. Bei meinen gelungenen Versuchen habe ich die Butter- und Zuckermenge für die Füllung etwas reduziert: Ich nehme nur jeweils 125 Gramm und streiche die weiche Butter relativ dünn auf den ausgerollten Teig. Fertig geformte Brötchen lassen sich übrigens auch ausgezeichnet einfrieren. Ich lasse sie dann über Nacht auf dem Backblech abgedeckt auftauen und aufgehen, dann kann es auch morgens Franzbrötchen geben.

Kleine Linderung für das schlechte Gewissen angesichts der Buttermenge: Unsere dänischen Nachbarn nehmen für ihren Plunderteig ausweislich meines dänischen Kochbuchs auf 500g Mehl insgesamt 360g Butter. Daraus werden dann "Spandauere" (Spandauer) mit Vanillepudding und Obst (die in Norddeutschland übrigens "Kopenhagener" heißen) und die ich im Urlaub ohne schädliche Folgen bisweilen täglich verzehre. So schlimm können Franzbrötchen also nicht sein.

Mittwoch, 9. Januar 2008

The original Hiddensee Fischsuppen-Massaker

Während Wasabi und Gutes Essen südlich von Berlin ihre Nasen in Teller und Näpfe steckten, habe ich im Norden erkundet, was die Küchen so hergeben. Hiddensee war mein Reiseziel und leider ließ sich mein grippaler Infekt partout nicht dazu überreden, zu Hause zu bleiben. So musste ich ihn mitnehmen und somit auch eine partielle Appetitlosigkeit. Was immerhin die Bestellung erleichterte - wenn einem schon an jeder Ecke Sanddornprodukte hinterher geworfen werden, kann man wenigstens seinen geschundenen Hals mit einem labenden heißen Sanddornsaft befrieden. Ob's auch im gesunden Zustand mundet, ist Geschmackssache.

Da nun Festnahrung nicht das Ziel der Träume war, ließ sich das Lokalkolorit wenigstens in Form von Fischsuppe ausnutzen. Zu diesem Zwecke suchten wir auf eine Leipziger Empfehlung hin das Fischrestaurant "Zum Enddorn" in Grieben auf, zu dem man erst mal einen ordentlichen Spaziergang einlegen muss. Wer es gerne weiträumig und elegant hat, ist da sicher fehl am Platz. Selbst die Flyer, die weiträumig über die Insel verteilt sind, geben offen zu, dass die Räume mit maritimem Schnickschnack vollgestopft sind. Und natürlich auch mit dem nicht weniger raumgreifenden Chef. Bei dem orderte ich dann die erwähnte Fischsuppe sowie als Sättigungsbeilage eine - was für ein Flachwitz angesichts des Ortsnamens - Griebenschmalzstulle. Die Kellnerin mit slawischem Migrationshintergrund ließ mich noch Tage später grübeln, was wohl die Mitteilung, "die Stulle dauere noch ein bisschen" bedeuten solle. Denn wider meine Erwartung war der Teller zwar mit (leicht bitterem) Salat voll, darunter verbargen sich aber Schmalzbrote, wie ich sie mir jeden Abend für einen Bruchteil der Kosten aus Supermarktschmalz schmieren kann. Ganz anders der erste Eindruck der Suppe: Eine wahre Wacholderwand brach über mich herein. So würzig schmeckte die reichhaltige Suppe dann auch, leider waren die Fischstücken total vergrätet. Gerade bei Suppen ist das Rausfummeln von Gräten weder spaßig noch ästhetisch.

Nicht zuletzt aus diesem Grund ließ ich es mir nicht nehmen, am nächsten Abend die Probe aufs Exempel zu machen und einige Kilometer südlich, im krempelfreien "Wieseneck" von Kloster, nochmal Fischuppe zu bestellen, zumal der Magen ohnehin noch wenig Lust auf Festes hatte. Der Preis war vergleichbar (ca. 5 €), folglich erschien es nur logisch, dass auch die Suppenschüssel (dieser weiße Typ mit Löwenköpfen als Henkel, der auch in einigen Kramläden billig zu bekommen ist) identisch war. Glücklicherweise bezog sich das auf nicht auf den Inhalt, denn der war in diesem Falle wesentlich grätenärmer, um nicht zu sagen: grätenfrei. Leider wurde dabei auch an Gewürzen gespart und auch das Gemüse war in Anzahl und Vielfalt überschaubar. Immerhin kam ich, weil das Grätenpuzzeln ausfiel, diesmal in den Genuss einer warmen Suppe.

Auf einen dritten Versuch hatte ich am Silvesterabend dann keine Lust mehr, zumal sich auch meine Verdauung langsam normalisiert hatte. Folglich übersprang ich in der "Buhne XI" in Vitte - direkt hinter der Düne gelegen und ebenfalls vollgekrempelt, diesmal aber nicht maritim - die Suppenkarte und widmete mich dem Fisch. Zum Glück hatte ich einen Mitstreiter, um die große Fischplatte für zwei Personen zum Preis von ca. 30 EUR zu ordern. Diese hätte problemlos auch drei Leute satt bekommen, denn vier Sorten Fisch tummelten sich darauf in jeweils doppelter Ausführung: Dorsch, Forelle, Lachs und eine mir peinlicherweise entfallene vierte Sorte. Beim Knuspern wusste ich dann auch wieder, warum man Fisch am besten direkt am Wasser verspeist - selten wird er so gekonnt zubereitet. Es waren zwar alle Sorten auf die gleiche Weise gebraten, das aber genau auf den Punkt (also außen knusprig, innen weich und nicht trocken) und mit keinem Gramm Gewürz zu viel oder zu wenig. Vegetarier sollten sich allerdings vielleicht eine andere Buhne suchen, denn der Spinat-Mozzarella-Auflauf unserer Dritten im Bunde bestand im Wesentlichen aus diesen beiden Komponenten und zu viel Salz - sonst nichts.

Abschließend sei noch eine Reisewarnung ausgesprochen. Mit Sicherheit ist meine Studie nicht repräsentativ, aber die Stichprobe ergab ein erschreckendes Ergebnis: Ich habe auf Hiddensee nicht eine einzige gut gebratene Kartoffel zu Gesicht bekommen. Während ich an der Nordsee selbst in der letzten Hinterhofkaschemme noch Bratkartoffeln bekam, die jedes Inlandsprodukt in den Sack steckten, scheint das Ostsee-Ideal zumindest westlich von Rügen labbrig, dünn, fettig, zu sehr oder zu schwach gesalzen und maximal am Rand ein wenig braun zu sein. Den Hiddenseer Köchen möchte ich raten, mehr Lecker essen in Berlin zu lesen, speziell Wasabis bewährtes Bratkartoffel-Rezept.