Samstag, 31. Oktober 2009

Nachtschwärmer willkommen - aber nur bis 22 Uhr

Ich war mal wieder in Fürth, bis vor kurzem noch "Stadt der Quelle", zum Klassentreffen wie alle paar Jahre. Es war ganz nett angelaufen, wir stellten uns auf einen fröhlichen Abend ein – erst was Schönes essen, dann mit Getränken weitermachen. Abschluss: Je nachdem, wie lange wir durchhalten würden. Dass das auf ein offenes Ende hinauslaufen würde, war bei einem runden Jubliäum eigentlich klar. Jedenfalls uns, die wir gut gelaunt am frühen Abend im Saporissimo, einem schicken Italiener ein paar Meter von der alten Schule entfernt, eintrudelten. Der Ort schien gut gewählt, trommelt doch der Betreiber auf seiner Webseite vollmundig:
„In lässiger, ungezwungener und zugleich faszinierender Atmosphäre ist das SAPORISSIMO Eventrestaurant & Cocktailbar der exklusive Anlaufpunkt für Feinschmecker, Barbesucher und Nachtschwärmer. Ein Ort der international ist und zugleich das Fürther Leben wiederspiegelt: Vielseitigkeit, Offenheit und stilvolle Lässigkeit. … Erleben Sie diese einzigartige Symbiose aus moderner italienischer Küche, Lounge-Bar und anspruchsvollem Clubbing.“
www.saporissimo.de/fuerth/index.php
Vielleicht kennt die Restaurantbesatzung ihre eigenen Werbephrasen nicht, oder sie sind ihnen einfach egal. Denn der Abend verlief ganz anders als der PR-Text verspricht.

Erste Überraschung: Es gab nur vier Gerichte auf der Karte. Zur Auswahl standen Pizza, Putenröllchen, Penne und Lachssteak. Weder Suppen, Vorspeisen oder gar Nachtisch gehörten zum Angebot. Eine Getränkekarte auf den Tischen fehlte. Die von Anfang an etwas gehetzt wirkenden Kellner (von wegen lässig) sammelten die Bestellungen so schnell wie möglich tischweise ein. Ich ließ mir 0,2 Liter vom roten Hauswein (> 4 Euro) bringen, dazu die Putenröllchen für 12,80 Euro. Die Portion war äußerst überschaubar, als Bestandteil eines viergängigen Menüs wäre sie als Fleischgang angemessen gewesen. Gerne half ich später einem alten Freund, seine normalgroße Schinkenmozzarella-Pizza zu bewältigen (sie war ok, aber nicht überwältigend, manche sagten, sie hätten nicht ganz durchgebackene Exemplare erhalten).

Einer meiner Mitschüler hätte als Sonderwunsch gerne ein paar Champignons auf dem belegten Fladen gehabt, doch weder die Kellner noch die Küche war dazu bereit. Warum ließ sich nicht erklären, denn Pilze waren da, die gehörten nämlich zu den Nudeln. Aber vielleicht hatte der Küchenchef die Champignons einzeln abgezählt, denn da war nichts zu machen: Pizza nur á la carte.

Nun hatten wir uns mit mehr als 40 Leuten angemeldet, ein recht gutes Geschäft war also zu erwarten, dazumal keiner gedachte, mit nur einem Wein oder Bier wieder nach Hause zu gehen. Aber dieses Geschäft schien die Kellnertruppe auch nicht weiter zu interessieren. Denn der Nachschub an Getränken traf nur schleppend ein, auf das Angebot für einen Grappa nach dem Essen oder einen Espresso wartete ich jedenfalls vergeblich. War das vielleicht die versprochene Lässigkeit? Dafür begann ab 21.30 Uhr (!) das Abkassieren. Sollten die drei Jungs etwa abgelöst werden, vielleicht von ein paar fixen Serviermaiden, um uns beim nostalgischen Austausch mit frischen Getränken zu unterstützen?

Nichts dergleichen: Man schließe um 22 Uhr, wurde uns lapidar mitgeteilt. Ungläubige Nachfrage, ob man denn nicht länger geöffnet lassen könne, dies sei schließlich ein bereits Wochen vorher angemeldetes Klassentreffen gewesen. Antwort: Das gehe nicht, keine Konzession. Aha, so sieht also ein Restaurant mit Cocktailbar aus, das sich ganz offiziell als Location für Nachtschwärmer empfiehlt. Wir waren übrigens bereits vorher die einzigen Gäste, faktisch also eine geschlossene Gesellschaft. Das Konzessionsargument war zumindest fraglich. Nichts zu machen: Kellner und Küche räumten auf.

Es gibt es nur eine Erklärung. Die Saporissimos hatten einfach keine Lust oder sie wollten noch auf die Fürther Kärwa. Und ganz offensichtlich konnten sie auch auf ein gutes Geschäft verzichten. All die schönen Versprechen auf der Webseite: an diesem Abend nur leeres Werbeblabla. Andere Restaurantbesucher vor uns waren allerdings auch nur mäßig begeistert gewesen.

Punkt 22 Uhr wurden wir also in die regendurchweichte Nacht hinausgejagt, dank I-Phone und Telefonkonsultationen hatten wir aber bereits einen gastlicheren Ort ausfindig gemacht, um die Feier fortzusetzen. Ein Einkaufszentrum am Rande der Fürther Südstadt ist vielleicht nicht der lauschigste Ort für ein Klassentreffen. Aber dort wurden wir im Caprese, alias PX Sportsbar, freudig und freundlich empfangen und bestens bedient, bis das Lokal (Pizzeria, Kneipe, Sportbar ein einem) gegen ein Uhr schloss. Fürth ist halt nicht Berlin, auch wenn dort ein Riesenvolksfest die Stadt in den Ausnahmezustand versetzt. Nach Mitternacht werden die Gesteige allmählich hochgeklappt.

Fazit: Peinliche Gastronomieleistung(sverweigerung) und mangelnde Flexibilität beim Edelitaliener – trotzdem tolles Klassentreffen. Andere Wirte in Fürth, wie die des Caprese, verstehen ihr Geschäft

Saporissimo
Im Südstadtpark, Grüne Halle
Krautheimerstraße 11
90763 Fürth
www.saporissimo.de/fuerth/

Caprese
Auf dem Gelände des ehemaligen PX/Commisionary
Waldstraße 105
90763 Fürth
www.caprese-pizza.de

Samstag, 24. Oktober 2009

Uwe, schaff' die Fische ran!

Uwes Fischerhütte mit FischbrötchenschildUnd ewig lockt die Fischsemmel.

Drei knusprig gebratene Heringe, drei kleine Schollen, und wir hatten endlich unseren Fischimbiss. Wurde auch Zeit. Seit Ankunft auf Usedom fantasierte Wasabi von einem Fischbrötchen, konnte sich aber kein einziges Mal für eines der angebotenen Modelle entscheiden. Immer nur Matjes (im Herbst!), Bismarck und Räucherlachs verlockten nicht. Und so recht befriedigend sind die belegten Semmeln sowieso nicht: Kaum ist der letzte Bissen geschluckt, hat man man schon wieder Hunger. „Da esse ich mich ja hungrig“, pflegte eine Freundin in so einem Fall zu sagen. Die bezeichnet Sülze aber auch als Großvaterfutter.

Die Erlösung brachte Uwe's Fischerhütte in Ahlbeck. Angeblich holt Uwe selbst aus dem Wasser, was er seinen Gästen kredenzt. Das ließ uns sogar über den doofen Apostroph im Namen hinwegsehen. Das tägliche Angebot richtet sich laut Speisekarte „nach Fang“. An diesem Tag war Uwe offenbar mit vollen Netzen von der Ostsee zurückgekehrt. Jedenfalls balancierten die Serviererinnen eindrucksvolle Teller voller Meeresgetier durch die Gaststube. Dieser Anblick überzeugte uns endgültig, und wir fanden auch noch zwei Plätzchen mit Strandblick.

Drei kleine Schollen gebratenKleine Grätenwunder, diese Ostseeschollchen. Aber der Geschmack macht alles wett.

Sehr gut gefiel mir die nordisch-wortkarge Kellnerin, die mit einem knappen, aber freundlichen „Ausgewählt?“ die Bestellung aufnahm. Nach einer angemessenen Zubereitungszeit brachte sie zwei schöne Teller, beladen mit frischgebratenem Hering (8 Euro) und „Kutterscholle“ (8,50 Euro) in Pommerscher Soße (süß-sauer abgeschmeckte braune Mehlsoße), knusprigen Bratkartoffeln und einem Schlag Krautsalat. Kleiner Wermutstropfen: die Getränkepreise. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen verkaufen Gastronomen ihre alkoholfreie Getränke häufig teurer als Bier. Die Fischerhütte macht hier keine Ausnahme. Eine große Apfelschorle kostet mit 3,50 Euro (immerhin ein halber Liter) mehr als ein Bier gleichen Volumens.

Drei Heringe gebratenKnusper, knusper. Heringe sind viel zu köstlich, um sie zu Futterpellets für Zuchtlachs zu verarbeiten.

Ich musste dann noch echtes Bedauern über unsere lieben Freundinnen A. und N. aussprechen. Diese wurden in ihrer Jugend vielleicht mit müffeligem Hering gefüttert (ich kann das nur vermuten), bis heute können beide mit Fisch nichts anfangen. Bei Uwe sollten sie es nochmal probieren: Frisch, solide zubereitet – dann klappts auch mit dem Hering. Ach ja: belegte Brötchen gibt es auch. Aber die brauchten wir jetzt ja nicht mehr.

Uwe's Fischerhütte
Dünenstraße 52
17419 Seebad Ahlbeck (Insel Usedom)

Dienstag, 20. Oktober 2009

Kleine Kostbarkeit

Pfefferminzbonbon"Noch ein kleines Pfefferminzpastillchen?" "Ne, nicht so kurz vor dem Ersten. Da ist mein Konto leer"

Kürzlich kaufte ich mir eine kleine Süßigkeit zum Kilogramm-Preis von sage und schreibe 150 Euro. Nein, bei der Luxusleckerei handelt es sich nicht um kostbare Pralinen, gefüllt mit 100 Jahre altem Weinbrand. Es waren ganz gewöhnliche vollsynthetische Pfefferminz-Bonbons aus der Hexenküche der Lebensmittelindustrie, die sich als meine bisher teuersten Luxuspastillen entpuppten. Die dreieckigen Zungenschmeichler mit dem schönen Namen Smint(R) liegen gerne griffbereit an Supermarktkassen, zum tut-nicht-weh-Preis von rund 1,20 Euro. Dafür erhält man ein schickes grünes Döschen mit 40 Dragees, die sich insgesamt auf acht Gramm summieren - 0,2 Gramm pro Stück zu drei Eurocent.

Es wird ja auch über die Pharmaindustrie und ihre teuren Pillchen geschimpft. Aber zumindest hilft das Zeugs gegen allerlei Wehwehchen und Gebrechen. Da relativieren sich die paar Euros für einen rezeptfreien Schmerzblocker. Die Smints hingegen hinterlassen im Mund nur ein bisschen süßes Pfefferminzaroma ("Frische & Zahnpflege" laut Etikett - ich wusste gar nicht, dass Lutschen die Zähne pflegt ). 150 Euro: das sind ein paar Flaschen vom guten Cognac, Grappa, Whisky oder eine Kiste sehr anständiger Wein. Oder knapp drei Monatskarten für die BVG.

Nun gut, kein Mensch mümmelt 1000 Gramm Stück Pfefferminz, aber 100 Gramm sind durchaus realistisch. Das wären dann 12,5 Döschen Smint zum Endverbraucherpreis von 15 Euro. Dafür erhalten wir: künstliches Aroma (billig!), hydrogenisiertes Baumwollöl (billig!), bisschen Maltodextrin (billig!) und künstlichen Süßstoff. Ähnliche Gewinnspannen dürften nur noch bei Druckertinte und Edel-Wimperntusche drin sein. Wer also zwölf Mal dem Griff zum grünen Döschen wiedersteht, kann stattdessen sich und einem lieben Menschen zwei schöne Rumpsteaks braten.

Dienstag, 13. Oktober 2009

Königsberger Klopse aka Albondigas Alemanas

Königsberger Klopse Kaliningrader FleischbällchenLos tapas alemanas mas gustas (Kann nicht so richtig Spanisch, deshalb glaube ich, dass es "Die schmackhaftesten deutschen Tapas" heißt.)

Ich bin immer wieder verblüfft, wie sehr die deutsche Küche im Prinzip der spanischen ähnelt. Ja ehrlich, ich schreib hier keinen Mist. Zum Beispiel der Endsalada Rusa - der russische Salat. Eigentlich nur ein Kartoffelsalat mit Mayonaise, Möhren und Erbsen. Ein ordentlicher deutscher Kartoffelsalat mit Speckstückchen und Gurken kann da locker mithalten (bitte nur nicht aus dem Eimer!). Zum Beispiel Bocadillos: Nix anderes als belegte Brote. Ein richtig gutes Sauerteigbrot (natürlich mit Butter, nicht mit Margarine) mit ordentlich Schinken oder Käse drauf, dazu ein bisschen Senf oder ein Klecks Remoulade und ein paar Gurkenscheibchen: Super!. Zum Beispiel: Chorizo. Ich sag nur Nürnberger Bratwurst oder richtig gute Mettenden: zum Fingerlecken. Nicht spanisch, aber uneingeschränkt häppchentauglich.

Und jetzt kommen wir zum Beispiel, auf das dieses Artikelchen die ganze Zeit zusteuert: Hackfleischbällchen. In Spanien heißen sie Albondigas und sie werden in Tomatensoße als Tapa gereicht. Hierzulande kommen sie in einer hellen Soße mit Kapern und werden nach einer Stadt genannt, die heute Kaliningrad heißt. Dennoch werden sie noch immer Königsberger Klopse genannt, ein meines Erachtens höchst unterschätztes Gericht. Sofern es nicht aus der Dose kommt oder mit Fertigsoßen aus der Tüte angerührt wird. Die Klopse schmecken toll mit Reis oder Kartoffeln, als Hauptgericht oder eben als kleiner Happen zwischendurch.

Zwei bis vier Stück, dazu ein knuspriges Brot, ein Gläschen Bier oder ein leichter Weißwein. Wow! In der Cafeteria eines bekannten skandinavischen Möbelhauses dürften sie nicht ohne Grund zum Dauerangebot gehören. Dort heißen sie dann Köttbullar (Schöttbullar ausgesprochen) und werden ohne Kapern, aber mit Preiselbeeren serviert.

Tipp:
Am besten schmecken sie mir aufgewärmt. Wenn sie über Nacht in einem geschlossen Gefäß im Kühlschrank in der Soße durchziehen. Dann sind sie richtig schön durchgesoßt. Wasabi findet die Klopse ja nicht so aufregend, obwohl sie die Pfanne voller Bällchen zubereitet hat. Aber ich, als Kind mit hervorragend zubereiteter deutscher Hausmannskost aufgewachsen, sage: da hat sie unrecht.

Selbermachen:
Königsberger Klopse nach Eugenie Erlewein (Originalrezept, S. 491, Kapitel "Heimatliche Spezialgerichte", Abteilung "Aus dem früheren Ostpreußen")
250g gehacktes Schweinefleisch
250g gehacktes Rindfleisch
1/8 Liter Wasser
1/8 Liter geriebene Semmeln
1 Ei
2 gestrichene Teelöffel Salz [steht im Rezept, wir salzen immer nach Geschmackl!]
1 geriebene Zwiebel
1 EL geschmolzene Butter

3/4 Liter Wasser
Salz
1 Lorbeerblatt

40g Fett
40g Mehl
1/2 Liter Brühe

[Zusätzlich: (fehlt bei Erlewein) Zitronensaft, Kapern, süße Sahne]

Das Fleisch wird mit allen Zutaten gut vermischt, man formt gleichmäßig große Klöße, gibt sie in das kochende Wasser und lässt sie 1/2 Stunde garziehen (gleichmäßig kochen), nimmt die Klopse dann heraus, macht eine helle Mehlschwitze, die man mit der Brühe auffüllt, schmeckt die Suppe mit Zitrone und Kapern ab und gibt zum Schluß etwas Sahne (Rahm) oder Buttermilch hinein. Die Klopse legt man in eine Schüssel und gibt die fertige Soße darüber.
Soweit die gute Eugenie. Wasabi hat mir freundlicherweise ihre Zubereitung bzw. Abwandlung des Rezeptes aufgeschrieben:

"Ich habe genommen: für die Klöße 400g gemischtes Hack und 1/2 Brötchen, in Milch eingeweicht und nur ganz leicht ausgedrückt, sicherlich weniger Salz, kein Wasser, keine Butter. 1 Ei, 1 kleine Zwiebel in ganz kleinen Würfeln. In den Kochsud außer Lorbeerblatt und Salz noch 2 Pimentkörner. Klopse in das leicht kochende Wasser geben. Wenig (zu wenig?) Mehlschwitze, mit Kochbrühe auffüllen, mit Zitronensaft und Kapernsud abschmecken, mehr als ein bißchen Sahne dazu (etwa 1/4 Becher - 50ml), und natürlich Kapern."

Mehr Mehlschwitze kann mehr Flüssigkeit binden, ergibt also mehr Soße. Viel Spaß beim Ausprobieren und Genießen dieses altmodischen Leckerlies.

Donnerstag, 8. Oktober 2009

Schmatzi, Guti, Feini

sagte einer meiner früheren Lehrer, wenn er Wohligkeit und Genuss beschreiben wollte. Gestern ertappte ich mich dabei, wie ich leise diese Wortfolge vor mich hinmurmelte. Anlass war diese Bratwurstsemmel. Nach einer längeren Bahnfahrt führte mich mein erster Weg nach der Ankunft am Nürnberger Hauptbahnhof zum Metzgerstand in der "Schlemmerpassage". Für etwas über 2 Euro bekam ich "Drei im Weggla" in die Hand gedrückt.

Bratwurstsemmel Drei im Weggla Nürnberger BratwurstSuchtmittel auf Schweinefleischbasis - in Berlin leider nicht einmal beim Blutwurstritter in Neukölln zu bekommen. Aber der ist bekanntlich auch Thüringer.

Zugegeben: die Semmel hätte noch ein bisschen Farbe vertragen können, die drei Nürnberger vom Holzkohlengrill waren dafür umso herrlicher. Wie sehr ich doch die frische "Fränkische" in Berlin vermisse! Es gibt die niedichen fingerlangen Würste natürlich abgegepackt und vorgebrüht bei fast jedem Discounter, der Geschmack ist auch ganz ordentlich. Aber ganz ehrlich: frisch ist sie am Besten und vom Grill fast unschlagbar.

Blutwurst im Teigmantel - Boudin Noir"Monsieur Boudin, parlez vous allemand?" "Non, pas de tout."

Mit vorerst gestilltem Appetit traf ich kurz darauf in Fürth ein, und ich musste überrascht feststellen, dass dort die Kärwa/Kerwa - oder in Standarddeutsch: Kirchweih - tobte. Wie konnte ich das vergessen. Aber während alle Welt endlos über das Oktoberfest in München redet, schreibt und filmt, ist die Fürther Michaeliskirchweih außerhalb der Region kaum bekannt. Vielleicht weil sie zu gefühlten 80 Prozent aus Fress- und Trinkständen besteht, Bierzelte und Blaskapellen aber wunderbarer Weise nicht zum Bestand gehören.

Weit kam ich nicht auf meinem Weg vom Bahnhof; er endete an einem einladenden Restaurantzelt. Seine Existenz verdankte es augenscheinlich der französisch-fränkischen Städtepartnerschaft von Limoges und Fürth. Das verheißungsvolle Angebot: Confit de Canard, Meeresfrüchtetöpfchen, falsches Filet vom Limousinrind und Blutwurst im Teigmantel. Ich entschied mich für letztere (8 Euro), wurde aber nach einem verheißungsvollen Gläschen weißen Bergerac (2 Euro) nicht ganz glücklich damit. Das als Beilage gereichte Kartoffelpüree war zwar hervorragend, die Wurst jedoch bei geschmacklicher Gefälligkeit nicht richtig heiß und der umgebende Teig eher überflüssig als genussfördernd. Da fällt mir ein: Wasabi und ich müssen mal wieder zur Rixdorfer Blutwurstmanufaktur. Es wird wieder Zeit für Herrn Bensers Darmlinge, serviert mit gebratenen Zwiebelringen und warmen Apfelschnitzen.

Super-GemüsehobelDer Wunderhobel, den ich wieder nicht gekauft habe.

Traditionell ergänzt das bunte Sortiment der aus allen Himmelsrichtungen angereisten Marktschreiergilde das Fürther Mampfangebot. Dort findet frau/man Pfannen, die sich hervorragend für Spiegeleier eignen, aber auch ohne weiteres die Hüllen interstellarer Raumschiffe strahlensicher machen könnten. Neben weniger aufregenden Dingen, wie Wunderreinigern und feuerfester Lackpolitur, bestaunte das Publikum selbstverständlich auch den obligatorischen Supergemüsehobel. Was passiert eigentlich mit den Obsthalden und Gemüsebergen, die hier zwei Wochen lang, vom frühen Nachmittag bis in den Abend hinein, kleingeschnipselt werden? Müll, Tierfutter, Selbstversorgung?

Kärwa auf griechischDa wird der Grieche fränkisch.

Wenn die Fürther Kirchweih feiern, dann sind die Wirtshäuser entlang der Festmeile mit dabei. Mit speziellen Angeboten, versteht sich. Egal ob Pizzeria, Bierschwemme oder alteingesessener Grieche. Dieser deklarierte kurzerhand die Souflaki-/Giroskombi zum "Kärwa-Teller" um, dazu das passende Festbier. Ein original Fürther Festmahl, richtig schön urig-fränkisch: "A schäiner Sufflaggidellä middamm Zaaziggi unndamm gscheidn Salood." Mahlzeit und Prost.

Kartoffelpuffer Baggersstand mit MenschenschlangeFür einen ordentlichen Reibekuchen steh' ich stundenlang.

Mit einem fränkischen Gericht fing es an, mit einem ehrbaren und treudeutschen Imbiss soll dieser kleine fränkische Streifzug enden. Der Baggers-Stand trotzt übrigens seit Urzeiten allen Essmoden; so lange ich denken kann, steht die Bude an der immer der gleichen Stelle. Dass die fettigen Fladen aus Kartoffeln (hier auch: Ebbien, Botaggn) für lange Schlangen sorgen, habe ich bisher nur einmal erlebt, und das war in der Leipziger Mensa. Aber dort war das Essensangebot auch deutlich weniger abwechlsungsreich als auf einem fränkischen Volksfest. Ach ja: andernorts heißen die "rohen Baggers" auch Kartoffelpuffer oder Reibekuchen. Oder gibts da am Ende auch noch andere Namen? Bratwurstsemmeln waren übrigens auch reichlich im Angebot, und die Fürther Fleischer stehen den Nürnbergern in der Wurstmacherkunst bestimmt nicht nach. Aber bekanntlich soll man es nicht übertreiben. Morgen ist auch noch ein Tag...

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Selbsttest Dosenkost: „Spaghetti“ in „Tomaten“soße

Man wundert sich ja schon, was Leute im Supermarkt so alles aufs Band packen. Beispiel: Schnitzelstücke aus dem Sonderangebot, daneben die Tüten eines bekannten Fertiggerichtherstellers. Dann werden am Abend Jägerrahmschnitzel kredenzt. Nudeln, Reibekäse, Tüte: das wird vermutlich ein überbackener Nudelauflauf. Die armen Menschen, denke ich mir dann, haben keinen Rahm zuhause, weder Pfeffer noch Salz, auch keinen Fond und kein Eigelb zum Legieren, nicht mal ein Löffelchen Stärke. Selbst Schalotten oder eine schnöde Zwiebel für den Geschmack und Weißwein zum Ablöschen des Bratensatzes fehlen.

Fertiggericht Spaghetti TomatensosseEin Hauch von Italien: Zypressen und ein leckeres Nudelgericht. Da bekommt man doch Appetit!

Aber die Tütenkocher sind noch gut dran. Jedenfalls verglichen mit dem, was sich Menschen mit Dosenbilliggerichten antun. Als ich eines Tages vor einem Konservenstapel stand, wollte ich es wissen. Ich startete einen Selbstversuch mit einem Gericht, das laut Etikett „Spaghetti in Tomatensoße“ darstellen soll.

Vorab: es ist mir unbegreiflich, warum jemand so etwas mehr als einmal freiwillig isst. Doch es scheint in diesem Land tausende von Menschen zu geben, die regelmäßig zu Dosen wie dieser greifen. Warum sonst sollten Lebensmittelsupermärkte und Discounter ganze Regalmeter damit füllen und das bei einem relativ geringen Preis, der kaum Gewinne verspricht. Relativ deshalb, weil, wie wir bald sehen werden, die Zutaten derart billig sind (Wasser, Zucker, Salz, Stärke), dass dieser Seim im Grunde heillos überteuert ist.

So liebe(r) Leser(in) – du musst jetzt ganz stark sein. Denn wir beginnen mit den Inhaltsstoffen. Dem Etikett entnehme ich, dass der Inhalt zu drei Vierteln aus Soße besteht.
Zutatenliste DosengerichtMamma mia! Wusste gar nicht, dass Guar und Glutamat zu den Grundzutaten italienischer Küche gehören.

Hauptbestandteil ist Wasser. Wasser ist billig. Für 1000 Liter sind in Berlin derzeit um die fünf Euro zu zahlen. Das reicht für deutlich mehr als 1000 solcher Dosen. Dann ist ein bisschen Tomatenmark beigemischt und - ebenfalls sehr billig zu haben - Zucker und Salz in nicht weiter erläuterten Mengen. Aroma und Gewürze sind angeblich auch drin, aber wohl nicht genug, um nennenswert Geschmack zu erzeugen. Deshalb brauchen wir Glutamat. Wofür das Säuerungsmittel ist, erschließt sich nicht sofort. Aber vielleicht soll damit die Süße des Zuckers gemildert werden. Denn damit diese Mixtur dann nicht gar zu suppig daherkommt, hat der Hersteller Guarkernmehl dazugegeben – ein Stoff der schon in kleinen Dosen jede Menge Wasser binden kann. Leider neigt Guar zum Gelieren, verhindert werden kann das wieder mit Zucker.

Dose geöffnetAha! Und wo sind die Spaghetti?

Nur ein Viertel der Konserve besteht aus Nudeln – wenn ich Spaghetti selbst zubereite, habe ich immer deutlich mehr Pasta als Soße auf dem Teller. Nur so nebenbei bemerkt.

Die Nudeln bestehen aus Wasser, Hartweizen, Eiweiß (in dieser Reihenfolge). Wir erinnern uns: Wasser ist billig. Das Eiweiß hält den wässrigen Teig zusammen; für eine echte Eiernudel hat es aber nicht gereicht, es fehlt das Eigelb. Kein Wunder, dass unter dem Weißblechdeckel recht blasse Fädchen zum Vorschein kommen.

Der Anblick ist durchaus nicht erfreulich: eine glibberig glänzende rote Masse mit weißen Würmern. Ein süßlicher, an Karamel erinnernder Geruch steigt auf. Kein Rosmarin, kein Oregano. Kein Duft von Knoblauch und Tomaten.

Gleich dünnflüssiger Lava gleitet die Masse in den Topf; auf kleiner Flamme vorsichtig erhitzt, ist sie nach ein paar Minuten warm. Der amorphe Zustand ist erstaunlich stabil, auch auf dem Teller glänzt dank der Stärke die Oberfläche wie lackiert. Kein schöner Anblick.

Dosenspaghetti auf dem TellerSind Spaghetti nicht so lange Nudeln, die man auf die Gabel aufrollt? Diese Dinger kann man nur mit dem Löffel essen.

Wer A sagt, muss auch B sagen. Ich nehme den ersten Löffel, trotz meiner Vorahnungen bin ich überrascht. Und zwar über diese unglaubliche Geschmacksarmut. Das Süße dominiert neben dem Salzigen, darüber liegt ein Hauch wie von Malz oder angebranntem Karamell, eine eigenartig brandig dumpfe Anmutung. Selbst wenn die Gewürze neben dem angeblich enthaltenen Rosmarin namentlich genannt wären – ich könnte sie nicht herausschmecken. Was steuert eigentlich das Tomatenmark bei, außer der roten Farbe? Die Nudeln sind nicht mehr als Füllmaterial. Wie ihre Farbe, so der Geschmack: nicht vorhanden.

Weshalb isst man, wenn man schon keinen Genuss am Essen findet? Weil man Hunger hat. Der kommt aber nach diesem Gericht sehr bald zurück, wenn man Pech hat, schlimmer als zuvor. Mein Magen ist erstmal gut gefüllt, kein Wunder bei der ganzen Flüssigkeit. Aber die absorbiert der Körper innerhalb kurzer Zeit. Von dem ganzen Zucker angeregt, pumpt die Bauchspeicheldrüse ordentlich Insulin ins Blut. Leider aber trifft es auf nichts von Substanz, denn die paar Nudeln sind schneller verdaut, als meine Körper die Insulinproduktion drosseln kann.

Eine halbe Stunde nach dem Festmahl – die meiste Soße habe ich sowieso auf dem Teller gelassen – muss ich mir erstmal ein Butterbrot schmieren. Um den dumpfen Geschmack loszuwerden und das leere Gefühl im Bauch zu bekämpfen.

Fazit: Erster und letzter Versuch. Ekelhaft.