Sonntag, 31. August 2008

Schwäbischer Kuchen aus Berlin in Werder an der Havel

Für den guten Großtstädter ist der motorisierte Sonntagsausflug fast so etwas wie eine heilige Pflicht. Idealerweise staut man sich in Kolonne mit tausenden anderen B's Richtung Umland, um dort die TF's, PM's und HVL's mit penetranter Sonntagsfahrerei in den Wahnsinn zu treiben. Diesmal beeehrten wir Werder an der Havel, gleich links bzw. westlich von Potsdam. Das Städtchen ist bekannt für sein Obst und berüchtigt für sein als Baumblütenfest getarntes Brandenburger Massenbesäufnis im Frühjahr. Heute war es eher ruhig. Bis der Obstwein wieder in Kubikmetermengen durch die Kehlen fließt, sind noch 236 Tage Zeit für beschauliche Werderausflüge. So stolperten wir durch die fast leeren Kopfsteingassen der Inselstadt, genossen einen herrlichen Blick über die Havel und ließen uns den warmen Wind um die Nase pusten. Das macht bekanntlich hungrig auf Süßes. Wir entschieden uns gegen die Cafés am Ufer und fanden das Café Olive am Markt recht einladend. Der Kuchen: hervorragend! Kein Vergleich mit der lieblosen Massenware, die uns hier in Berlin leider viele Vertreter des Bäckerhandwerks zumuten.

Käse Waldfrucht vom BeckerMann in Werder an der HavelKlasse Kuchen. Aber wieder mit süddeutschen Wurzeln.

Dieses Stück Käse-Waldfrucht (alle Kuchen kosten 2,80 Euro) mundete so gut, dass ich fast vergessen hätte, rechtzeitig ein ausdruckstarkes Porträt anzufertigen. Zum Aprikosenkuchen mit Schmand gibt es nichts anderes zu sagen: frisch, vollmundig, lecker, nuancenreich im Geschmack. Dazu ein Capuccino ohne Fehl und Tadel. Wie übrigens auch die überaus freundliche Bedienung. Im Café verkauft die Wirtin allerlei Leckereien aus Ligurien, zum Beispiel handgepresstes Olivenöl, Wein und Soßen. Das Gebäck - "handgebacken" steht in der Karte - lässt sie ebenfalls liefern.

Aprikosenkuchen mit SchmandInnerlich gratulierten wir den Werderanern schon zu ihrem Glück. So einen Bäcker in so einer kleinen brandenburgischen Stadt - das hat fast was von sechs Richtigen im Lotto. Doch dann die Auflösung: der Kuchen kommt aus Berlin vom BäckerMann am Südwestkorso. Zufälligerweise wurde der uns erst die Tage wärmstens empfohlen. Nach dieser Blindverkostung können wir den Tipp also grundweg unterschreiben. Aber es erhärtet leider auch den Verdacht, dass die einheimische Feinbäckerei nicht gerade zu den Spitzenproduzente im Land gehört. Denn der Bäcker-Mann ist natürlich wieder mal ein Zugereister, der sein Handwerk in Schwaben (wo genau, verrät er uns nicht) gelernt hat.

Samstag, 30. August 2008

Hausgemachte Sülze - der Versuch einer Annäherung

Seit ungefähr zwei Jahren versuche ich mich in unregelmäßigen Abständen an der Produktion von Sülze, genauer gesagt: essbaren Dingen mit Aspik drumherum. Und: das Ergebnis wird jedesmal besser. Manche halten das ja für ein Rentneressen, ich halte es für eine sehr unterschätzte Delikatesse. Gut, die Konsistenz ist nicht jedermanns Sache. Es wabbelt manchmal eben ein bisschen. Und auch die klassische Zubereitung mit Schweins- und Kalbsfüßen, wie es mein Kochbuch der Eugenie Erlewein vorschlägt, dürfte manchem in Zeitalter von Synthetikmampf recht gruslig vorkommen.

Man kommt ja nicht so gern mit den sterblichen Überresten von Tieren in Berührung, deren Funktion noch deutlich sichtbar ist. Kleine Rüsselchen mit Steckdosennasen, Ringelschwänzchen, ganze Nieren und solche Sachen... Die Gelatine ist nämlich nichts anderes als tierisches Eiweiß aus Bindegewebe und Knorpeln. Keine schöne Vorstellung. Andererseits: wer sich einen Burger reinknallt oder püriertes und anschließend frittiertes Hühnerfleisch ("Chickennuggets") verspeist, isst das Zeug in versteckter Form ebenfalls mit.

Warum also nicht pur verwenden? Denn die Gelatine hat die tolle Eigenschaft, sich im Mund sofort aufzulösen und den darin gebundenen Geschmack mit einem Schlag freizugeben..Schade, dass Wasabi sich nicht so richtig dafür begeistern kann. Sie mag eher bissfeste oder knusprige Sachen, auch Soßen möchte sie eher sparsam eingesetzt sehen. Hat auch Vorteile. Dieser Block Sülze vom vergangenen Wochenende gehörte mir fast komplett alleine.

Sülze selbstgemachtMeine dritte Sülze: Diesmal hatte ich endlich richtig gesalzen.

Wie bereitet so was zu? Was der Glibber umhüllen soll, ist eigentlich egal. Das kann gekochtes Fleisch sein, Gemüse, Fisch, Hauptsache es lässt sich gut schneiden. Ich verwende immer eine Brühe als Grundlage und Gelatineblätter aus der Packung. Die Hausfrauenmethode meiner Frau Erlewein (mit ihrem geschätztem Kochbuch konnten wir bereits unsere Semmelknödel perfektionieren) ist mir doch zu aufwendig. Denn wo bekomme ich Kalbsfüße und Ochsenfleisch her? Wer es ausprobieren möchte - bitte schön:
Grundrezept nach E.E. (Hauswirtschaftslehre, 14. Auflage, 1952)

Zutaten: 1. Kalbsfuß. 1/2 Schweinsfuß. 1/4 Kilo mageres Ochsenfleisch, 1,5 bis 2 Liter Wasser, 1 EL Salz, Suppengrün, Zwiebel mit Schale, 1 Zitronenscheibe, 1/4 Lorbeerblatt, 2 Pfefferkörner, 2 EL Wein (Madeira)

Die Füße im Wasser aufkochen, abschäumen, Gewürze dazugeben. Dann im gut geschlossenen Topf 2 bis 3 Stunden kochen, bis nur noch 1/4 der Flüssigkeit übrig ist. Dann gibt man das Ochsenfleisch durch den Wolf, übergießt es mit 3/8 Liter kaltem Wasser und lässt es 2 Stunden stehen. Dann gießt man die Kalbsbrühe dazu, lässt alles unter Rühren noch einmal aufkochen. Alles durch ein Passiertuch gießen und die Sulz in der Kälte stehen lassen.
Dringend abraten würde ich von Agar-Agar als pflanzlicher Ersatz. Dieses Algenzeug riecht in warmen Zustand recht eigenartig und die daraus entstehende Sülze ist sehr spröde und schmilzt nicht so angenehm. Außerdem kann man keinen "Spiegel" gießen, also eine Schicht Aspik erkalten lassen, Sülzgut auflegen und dann die nächste Lage flüssige Gelatinesoße darüber geben. Mit Agar-Agar-Glibber verbinden sich die Schichten nicht.

Also nehme man eine gut geklärte Gemüse- oder Fleischbrühe und salze diese sehr kräftig. Dann gebe man nach Geschmack guten Essig dazu (bitte nicht den für 50 Cent aus dem Putzregal), Weißwein und koche die Flüssigkeit auf. Für einen halben Liter nehme man mindestens zehn Blatt Gelatine, die man nach Vorschrift einweicht und dann in die nicht mehr kochende Brühe einrührt.

Diesmal nahm ich als Brühe das Kochwasser eines Schinkeneisbeins und zweier Rippchen und verbesserte es mit etwas Kalbsfond. Zwei dünn geschnittene Schalotten ließ ich kurz in der Brühe mitsieden und gab dann die Gelatine dazu.

Das weichgekochte und klein geschnittene Fleisch gab ich mit ein paar sauren Gurken in eine ganz gewöhnliche Kastenbackform. Dann die Brühe mit den Schalotten dazu, nochmal durchrühren und dann so bald wie möglich in den Kühlschrank. Am nächsten Tag hat man einen schönen kompakten Block.

Ich finde allerdings, dass die Sülze ruhig etwas liegen kann - dadurch wird sie noch fester und runder im Geschmack. Aus der Form stürzen, mit einem scharfen Messer in Scheiben schneiden und genießen. Mein Tipp: Bratkartoffeln, Spiegelei und etwas Remoulade - dann weißt du, wo Gott in Deutschland speist.

Saisonwechsel

Heute gleich zwei Gründe zum Freuen:

1. Die Pilzsaison hat begonnen.

HasenbovistEin Hasenbovist und eine Ziegenlippe aus dem Wald nahe dem Rangsdorfer See.

2. Nur noch 115 Tage bis Weihnachten.

Herzen, Brezeln, SterneHerzen, Brezeln, Sterne oder kurz HeBreSte im Kaufland Lichtenberg.

Montag, 11. August 2008

Sushi ist eben nicht gleich Sushi

Einer der anstrengendsten Aspekte des Umziehens, mal vom körperlich Anstrengenden wie dem Transport von Küchenarbeitsplatten abgesehen, ist die erzwungene Aufgabe alter Gewohnheiten. Ohne die geliebten Routinen fühlt der umgezogene Mensch sich nackt und bloß, geworfen in einen unübersichtlichen Strudel von Möglichkeiten, überfordert von Entscheidungen. Um hier nicht unterzugehen, sind neue lebensentlastende Routinen vonnöten, die sich meistens schon ohne großes eigenes Zutun nach kurzer Zeit am Horizont zeigen und vom tendenziell reizüberfluteten Neu-Hauptstädter (also mir) dankbar geentert werden.

Der Einkauf von Bekleidung und anderen Dingen, der sich nicht im Nahbereich erledigen lässt, ist immer noch so eine Expedition in unbekanntes Terrain. Folgerichtig habe ich bisher sogar den Kauf von Socken auf meine Besuche in Leipzig verschoben. Aber erstens sind jetzt Semesterferien und zweitens muss das ja irgendwann mal anders werden - und, siehe da, erste Gewohnheiten stellen sich ein! Die Einkaufsstraßen der sogenannten "City West" ergeben langsam eine einigermaßen kohärente innere Landkarte und werden gewöhnlich von West nach Ost durchschritten. (Kleine Abschweifung: Der Mythos der "Berliner Schnauze" wurde ohne Zweifel in jenem Gebiet zwischen Bahnhof Zoo, Tauentzienstraße und Wittenbergplatz geboren. Hier arbeiten ganz entzückende ältere Verkäuferinnen, die haben sogar den loriotesken Klassiker "Hat er die Jacke denn schon anprobiert?" im Repertoire, während der so zum Objekt degradierte "er" direkt daneben steht. Abschweifung Ende.)

Die Vorgehensweise von West nach Ost hat den Vorteil, dass sie am Wittenbergplatz endet. Ist Besuch dabei, geht man dann noch ins KaDeWe und danach ins Akitama. Ohne Besuch geht man sogar sofort ins Akitama.

Das Akitama ist genau das, was ich an diesem Touristenbrennpunkt niemals vermutet hätte: Ein grün-goldene Oase in der sichs angenehm sitzen lässt, mit freundlicher Bedienung, ausgezeichnetem Essen und für die gebotene Qualität angemessenen Preisen.
Vergleicht man das Akitama mit irgendeinem typischen Sushischuppen in Mitte oder sonst einem zielgruppenrelevanten Stadtteil, fällt auf, was es alles im Akitama nicht gibt - nämlich keine Animes, keine unbequemen Barhocker, keine Bionade, keine laute "hippe" Musik, kein Sushiförderband, keine ketchupähnlichen Saucen auf den Sushi, keine Majonnaise, kein Frischkäse, keine Flatrate/ zwei für eins/ happy-hour/ all you can eat-Aktionen und vor allem: keine angelernten Hilfskräfte, die irgendwie mit stumpfen Messern grob abgesäbelte Rohfischstücke auf Reisbatzen legen und das zäh-labbrig-klebrige Ergebnis als Sushi servieren.

japanische ReissuppeReissupe mit Lachs (kleine Portion)

Das Mittagsmenu zu 8,90 Euro wird im Akitama dankenswerterweise zwischen 11 und 16.00 Uhr serviert. Bei unseren ersten Besuchen war es schon später und aus mir heute unverständlichem Geiz begnügte ich mich damals mit einer Hühnersuppe (Tan-Men 5,90 Euro) bzw. beim nächsten Mal mit einer Reissuppe mit Lachs (Sake-Chazuke 4,90 Euro). Die Suppen sind gut, keine Frage, große Portionen, die jeweils frisch zusammengestellt werden.

Die Reissuppe besteht aus einer klaren Brühe, die ungeheuer frisch fischig-jodig-salzig schmeckt wie ein Schluck Meerwasser und mit gekochtem Reis, Lachsstreifen, Seetang und Kresse serviert wird. Die Hühnersuppe baut auf einer milden nicht-fischigen Brühe auf und mit der üppigen Einlage aus Weizennudeln, Hähnchenfleisch, Gemüse, Sprossen und Kresse ließ sie mich wohl gesättigt, sehr zufrieden, aber nicht überfressen zurück.

SushiauswahlSushi aus dem Mittagsmenu

Beim letzten Mal nun waren wir endlich rechtzeitig für das Mittagsmenu gekommen, bestehend aus einem grünen Tee, einer kleinen Portion der schon erwähnten Reissuppe und einer kleinen Sushiauswahl (Maki mit Lachs, Nigiri mit Thunfisch und gekochter Garnele) - und diese Sushi waren einfach eine Offenbarung! Sushi ist eben nicht nur kalter Reis und roher Fisch - das ist es, wenn es ein Laie herstellt. Diese Sushi schmecken unvergleichlich frisch und, ja, differenziert. Der Fisch schmilzt geradezu im Mund. Der Reis hält gut zusammen, ohne mundverklebend-massiv zu werden. Sogar der eingelegte Ingwer scheint mir von besserer Qualität zu sein als anderswo. Kurzum: Im Akitama habe ich an diesem Nachmittag kapiert, was der Unterschied ist zwischen einem Sushimeister und einem Aushilfskoch. Und dass das, was ich in Berlin bisher als Sushi gegessen hatte, im Vergleich bestenfalls medioker gewesen war.

Das Akitama hat damit als Referenzsushiladen meinen bisherigen Favoriten, das Sakura in Leipzig abgelöst. Und nach dem nächsten Einkaufstrip - ob nun vor oder nach 16.00 Uhr - wird es kein Halten mehr geben: Madoka-Platte, ich komme!

Update 13. August 2011 (von GutesEssen)

Seit diesem Esserlebnis waren wir über die Jahre mehrere Male im Akitama. Wenn wir uns am Ku'damm rumtrieben, endete das in der Regel mit einem Abstecher zu Sushi und Udong-Suppe am Wittenbergplatz, einmal auch mit unserem Freund Deef Pirmasens - immer zu unserer vollsten Zufriedenheit. Heute war wieder City-West-Tag; klar, dass wir wieder im Akitama einkehrten.

Ich weiß nicht, was seit unserem letzten Besuch passiert ist, aber dieses Mal war das Essen eine Enttäuschung. Natürlich ist jeder Restaurantbesuch eine Momentaufnahme, doch heute kann ich nur sagen: diese Mahlzeit steht für den Absturz von Spitzenklasse auf Asia-Imbissbuden-Niveau. Wir hatten uns Kitsune-Udon (Nudelsuppe mit gebackenen Tofu-Scheiben für 5,90 Euro) und Tenpura-Udon (Nudelsuppe mit Gemüse und frittierter Garnele, 7,90 Euro) bestellt. Die Udonsuppe mit der frittierten Garnele hatte ich schon mehrmals gegessen - aus gutem Grund. Es war immer ein Genuss an Frische und Geschmack.
"Die Qualität der Zutaten ist jedoch mindestens genau so wichtig. Um dies zu gewährleisten, verwenden wir ausschließlich frisches Gemüse der Saison."
heißt es unter anderem in der Speisekarte und gleichlautend auch auf der Webseite. Da legt der Chef die Messlatte schon von sich aus sehr hoch...

Das frische Gemüse waren diesmal ein paar lieblos über den Nudelhaufen gestreute Möhrenraspeln, sowie geschnippelte Streifen Eisbergsalat und Radicchio. Die zwei Garnelen sahen aus und schmeckten wie aus der Imbiss-Friteusenbox, ganz anders als ihre Vorgänger der letzten Jahre. Was die Gummitintenfischringe in Backteig (ebenfalls verdächtig synthetisch)  in der Suppe verloren hatten - ich weiß es nicht. Sollte hier Masse die fehlende Klasse ersetzen? Dazu gab es noch einen ebenfalls frittierten Batzen aus einer süßlich-geschmacksarmen Gemüsemasse, wovon ich beim besten Willen nicht mehr als einen Bissen herunter bekam. Die sojabraune Brühe schmeckte vor allem salzig (habe immer noch Durst!), auch hier ließ ich das meiste übrig. Wasabi ging es nicht anders - sie ließ fast die ganze Schale stehen.

Wir hatten noch die Madoka-Sushiplatte (Nummer 101 auf der Karte für 11,80 Euro) mit sechs Maki- und vier Nigiri-Sushi. Sie war ok, aber auch nicht mehr - vielleicht war mein Gaumen vom Salz der Brühe noch zu sehr betäubt.  Zudem war das helle Tucher-Hefeweißbier aus, dem ersatzweise bestellten Warsteiner fehlte die Spritzigkeit (früher gab es auch Tuborg, wenn ich mich nicht täusche).

Herr Toyasawa: was ist aus ihrer Kochkunst geworden? Wir hatten uns so auf Ihr Essen gefreut und gingen wie entäuschte Liebhaber. Schade um das schöne Geld.