Montag, 31. Mai 2010

Seelenfutter, oder: Das Glück kommt mit der geräucherten Bratwurst

Was ist eigentlich Glück? Zyniker behaupten: die Abwesenheit von Unglück und meinen damit das dahinströmende Leben ohne besondere Höhen und Tiefen. Dahinter steckt meines Erachtens eine recht traurige Haltung zum Leben. Wer so etwas ernsthaft meint, hat vergessen, wie es sich anfühlt, wenn die Glückshormone durch die Adern rollen, wenn auf einmal in den dunklen Winkeln unseres Gemüts die Sonne aufgeht und sich selbst der trübste Tag mit einem Mal mit hellem Licht erfüllt.

Gemüsesuppe

Der Auslöser kann ein ganz kleines Ereignis sein. Das Lächeln eines Fremden auf der Straße, eine gelungene Formulierung in einer Geschichte, die man sich aus der Tastatur quält. Oder etwas, das auf einmal eine lange verschüttete Erinnerung aufblitzen lässt - ein Ereignis, ein Ort, ein wunderbares Erlebnis, das längst vergessen war.

Bei mir waren es nicht die Madeleines, die mich in die Kindheit zurückversetzten, auch nicht die Ratatouille, die für eine überbordende Serotoninausschüttung sorgte und sich wie Balsam auf mein Gemüt legte. Es war die Kombination aus fränkischer Brotzeit, fränkischer Gemüsesuppe und fränkischem Bier und das alles praktisch vor unserer Haustür, am Neuköllner Weigandufer, keine 200 Meter entfernt vom Wildenbruchplatz an der Ecke zur Elbestraße.

Bis diesen Mai von mir unentdeckt, hat dort eine junge Truppe fränkisch-schwäbischer Herkunft eine kleine Kneipe aufgemacht - mit Gerichten und Getränken, die mir die Tränen des Glücks in die Augen treiben. Im Erika & Hilde gibt es nämlich feinste fränkische Importwaren:  Eine Brotzeit mit originaler geräucherter Bratwurst aus dem südlichen Mittelfranken (3,80 Euro, mit Käse statt Wurst 3 Euro, ebenso 3 Euro mit "verschiedenen Pasten").
fränkische Wurstbrotzeit

Wie früher zuhause. Ganz ehrlich. Wurst vom Dorfmetzger, dazu ein Schlag Kren, schön saftiges dick krustiges Mischbrot und Gurken. Zu trinken bestellte ich mir ein schönes Märzen von der Brauerei Strauß in Wettelsheim. Wer nie etwas anderes als gesichtslose Massenbiere getrunken hat, wird sich erst hineinschmecken müssen in dieses malzige vollmundige Gebräu. Bei bayrischem Bier denkt ja alle Welt erstmal an München. Wer weiß schon, dass Franken die größte Vielfalt an kleinen und kleinsten Brauereien hat - und damit natürlich wunderbarste Auswahl an wunderbarsten Bieren.

Das Erika & Hilde Kneipe in Neukölln

Dazu gibt es noch die herrlichste selbstgemachte Hausmannskost und hausgebackene Kuchen. Zur Brotzeit löffelte ich eine Gemüsesuppe aus feinster selbst gekochter Brühe. Wie bei der Oma im fränkischen Dorfwirtshaus, damals vor Äonen. Als ich die Köstlichkeiten serviert bekam, konnte ich erst gar fassen, dass das Wirklichkeit sein sollte, was da vor mir stand. Mehr will ich gar nicht verraten. Danach war ich nicht nur satt, sondern auch unendlich glücklich. Was brauch' ich Gold und Tand und große Autos ...

Beim erneuten Besuch hatten die Erikas und Hilden sich was Neues überlegt: Hausgemachte Maultaschen in Brühe! Ich bin zwar kein Schwabe, aber den gefüllten Nudelteig mag ich sehr gerne. Und wenn sie dann nicht den Standardgeschmack der Tütenware aus dem Kühlregal haben, ohne Holzhammeraromen und Konfektionswürzung - umso besser. Klasse!

Maultaschen in Brühe

Dazu nahm ich diesmal das Wettelsheimer Hell (2,50 Euro), ein paar Prozentchen leichter als das dunklere Märzen. Die Liebste, eher mit Kaffeelaune als mit Gelüsten auf Deftiges, bestellte die ebenfalls hausgemachte Buttercremetorte und dazu einen Cappuccino. Das Glas Wasser gibt es gratis dazu.


Ich merke das gar nicht, aber als wir gingen, meinte die Liebste nur, ich würde schon wieder total glücklich aussehen. Ja, das war ich auch nach diesem Kurzurlaub in Franken mit Blick auf auf den Neuköllner Schifffahrtskanal.

Unbedingt hingehen!
Erika & Hilde, fränkisch/schwäbische Eckgaststätte für alle.
Ecke Weigandufer/Elbestraße (Nähe Wildenbruchplatz)
12045 Berlin Neukölln

Achtung neue Öffnungszeiten ab 2013:

Mo-Do 11-1 Uhr, Sa 11-22 Uhr und So 11-20 Uhr (ohne Gewähr!)

Anfahrt: Bus 104/167, Haltestelle Wildenbruchplatz
Oder mit Bus 194 , Haltestelle Lohmühlenplatz und dann sieben Minuten Fußweg am Kanal Richtung Osten.

Dienstag, 25. Mai 2010

Es brät ein Bi-Ba-Burgermann in unserm Neuköllner Kiez herum...

Liebe Leser. Ich möchte euch heute einen ganz jungen, ganz neuen, ganz tollen... Hamburgerladen vorstellen.

"Himmel! Schon wieder ein Klopsebrater" höre ich euch schon schreien und fragen: "Kann es denn nicht mal was Frisches sein, was Gesundes, was Außergewöhnliches? Was mit ohne tote Tiere?"

Sag ich: ist frisch, der Burger. Nämlich frisch vom Grill, liebevoll mit dem behandschuhten Finger auf den richtigen Gargrad getestet, mit Gewürzen bestreut und geheimen Flüssigkeiten begossen. Gesund? Was so herrlich schmeckt, kann gar nicht ungesund sein. 190 Gramm Hackfleisch (90 Prozent gut abgehangenes Rind, ein Zehntel Lamm, täglich durchgedreht vom türkischen Metzger, das ganze auf einem angewärmten Fluffelbrötchen (aber nicht zuuuu fluffelig) und dann Radieschen, Rucola, Eisberg. Beim ersten Mal hatte ich Feldsalat auf meinem Hacksteak. Wenn das nicht außergewöhnlich ist. Dazu eine leichte Mayonaise  (mit Joghurt?), Zwiebelringe und  - ohne Aufpreis - auf Wunsch Jalapenos. Und echte Gurkenscheiben.

Schleck, schleck, schleck - sag ich. Und zahle liebend gern 3,70 Euro für dieses perfekt gebratene Schnellessen. Alles andere kostet mehr. Ist aber bestimmt sein Geld auch wert.  Wie auch die Kartoffelecken (neudeutsch "Wegdes", was auch nur dreieckig bedeutet) - gut durch, leicht knusprig, für 1,80 reicht es als Beilage für zwei. Dann kommt auch noch der Brater, reicht italienischen Traubenessig ("den müsst Ihr einfach auf den Wedges probieren,") Ketchup und Ersatzmayo. Das nenne ich Einsatz. Dazu gibt es echtes Spezi, schön süß, mit Rülpsfaktor.  Danach spannt der Bauch, Hunger sollte man also mitbringen.

Kein Wunder, dass ich heute beinahe wieder reingehuscht wäre. Denn das winzige Lokal mit seinen rohen Ziegelwänden, dem konservierten Stuck und den Höhlenmalereien liegt so günstig an der Bushaltestelle, an der ich mir abends gerne mal die Beine in den Bauch stehe. Dann kam der Bus. Glück gehabt. Oder Pech. Wie man es nimmt.

Was die Jungs da in der Pannierstraße/Ecke Sonnenallee, nicht weit vom Neuköllner Hermannplatz, vor gut drei Wochen gestartet haben, hat in dieser Gegend tatsächlich gefehlt: Das BBI (Berlin Burger International) ist eine 1a-Homemade-Burgerbude von exquisiter Qualität - wie man sie in dieser Stadt nicht so leicht findet. Kompliment! Und wer hat sie wieder als erstes entdeckt? Die Liebste mit ihrem Näschen für's Besondere.

BBI - Berlinburger International, Pannierstr. 5, 12047 Berlin
Geöffnet von 13-23 Uhr 
Fünf Minuten vom Hermannplatz. Bus: M41, M29, 171, 194


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Montag, 24. Mai 2010

In allem Häßlichen findest du auch das Schöne. Und Kaffee.

Nach einer nicht ganz Strapazen freien Woche schlug die Liebste einen entspannenden Ausflug ins Grüne vor - nach Berlin-Biesdorf. Ausgerechnet Biesdorf. Wetten, dass den meisten Berlinern nur eine U-Bahnstation der Linie 5, gräßliche vierspurige Ausfallstraßen und ein gesichtsloses Einkaufszentrum einfallen?


Doch umtost vom Autoverkehr, eingekeilt von B5, Blumberger Damm und S-Bahngleis liegt auf dem höchsten Punkt des Barnim das herzallerliebste Schloss Biesdorf. Ein spätklassizistisches Schmuckstück (innen hat der letzte Krieg alles Alte getilgt) mit einem wunderschönen Park. Außer uns wandelten fast nur Rentner über die frisch angelegten Wege unter den uralten Bäumen. Ein paar Damen aus der Gothic-Szene posierten für den Fotografen. Für morbide Gefühle fand ich die Szenerie aber nun wirklich zu lieblich.

Laut Berliner Zeitung soll der Park als einer der wenigen außerhalb Englands mit dem noch nicht so ehrwürdigen Green Flag Award ausgezeichnet worden sein. Die Webseite der britischen Gartenfreunde verschweigt dies bisher - sollte es eine Ente gewesen sein, danke ich der Berliner Zeitung dennoch für die Anregung. Von alleine wären wir vermutlich nicht nach Biesdorf gegondelt.

Wo ein Schloss, da auch ein Café - und in der Tat: zwei freundliche ältere Herrschaften bieten für wahrlich winziges Geld allerlei einfache Sachen an. Diese kann man in den Mensa ähnlichen Gasträumen einnehmen, bei gutem Wetter empfiehlt sich unbedingt die Terrasse mit Traumblick ins Grüne.

Die Verkaufstheke erinnerte ein wenig an den Kuchenstand bei der Kindergartentombola, Wasabi vermutete hinter der Marzipantorte auch eine industrielle Herkunft und nahm stattdessen den Apfelkuchen. Der war recht angenehm, der Kaffee ungewohnt deutsch, wie ich ihn nur noch bei Tagungen serviert bekomme.


Für 1,20 Euro das Stück Kuchen und 60 Cent (!) die Tasse ordentlicher Brühkaffee zahlten wir also sage und schreibe insgesamt 3,60. Kostenlos dazu gab es die wunderschöne Aussicht in den weitläufigen Landschaftsspark von der Balustraden gesäumten Terrasse. Weil's gar so schön war, gönnte ich mir noch einen Softdrink (90 Cent) und Wiener mit Senf und Toastbrot (1,20).
In Kombination mit Park und Ausblick  ist das nun wirklich unschlagbar. Nicht wahr!?


Deshalb mein Ausflugstipp: Schlosspark Biesdorf, Rundgang mit anschließender Einkehr ins Schlosscafé zu Würstchen und Brühkaffee. Täglich geöffnet, von ungefähr acht Uhr morgens bis ca. 16.30 Uhr. Manchmal auch länger. Auch für kleine Geldbeutel.

Anreise: U5, Haltestelle Elsterwerdaer Platz oder S5/75 Haltestelle Biesdorf und dann bequeme zehn Minuten zu Fuß.


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Freitag, 14. Mai 2010

Off Topic: Walter von La Roche ist tot

Sein Buch "Einführung in den praktischen Journalismus" begleitete meine ersten Schreibversuche bei der Lokalzeitung. An der Uni Leipzig lernte ich ihn dann persönlich kennen - als Dozent beim Uniradio mephisto 97,6 und als mein Prüfer beim mündlichen Examen in der Journalistik. Nur 2004 traf ich ihn noch einmal auf den Münchner Medientagen. Jetzt ist Walter von LaRoche tot. Ich werde ihn nicht vergessen.

Montag, 10. Mai 2010

Franken kommt nach Berlin

Herrlich. Gelbwurst, fränkische Brotzeit (wenn auch im Umfang reduziert, aber dafür gut), 70 Biersorten: Berlin hat mir in den vergangenen Wochen einen echten Heimatschock verpasst. Kaum zwei Kilometer auseinander gibt es eine neue Kneipe und einen Getränkeversorger, die mich mit Stoff aus dem Süden versorgen können. Wenn ich meinen leeren Kasten Weißenoher Helles zurückgebracht und vom vielversprechenden Laden mit dem urdeutschen Namen Frankenbier-Connection in der Reuterstraße (Neukölln) Nachschub geholt habe, schreib ich noch was dazu. "Erika und Hilde" (ohne Webseite, man stelle sich vor, Ecke Weigandufer/Elbestraße) werde ich bald auch die Ehre erweisen - und die gebührt ihnen wahrlich.