Sonntag, 2. Dezember 2007

FddF III: Der Aischgründer Karpfen - das Bressehuhn unter den Fischen

Fränkischer Karfen gebackenDa liegt er und wartet, dass man ihm die Flossen ausreißen möge.

Bei unserer Frankentour traf ich natürlich wieder alte Bekannte, die sofort wissen wollten, was ich denn in der Gegend so vorhabe. Wenn ich "Karpfen essen" sage, findet das niemand seltsam. "Soan'gudn wie bei uns grichst sunst närcherdwo!" sagen sie und geben dir gleich noch kostenlos einen heißen Tipp, welche Wirtschaft gerade "Kärbfli" anbietet. Es ist eine echte regionale Spezialität von ausgesuchter Feinheit und Qualität, so wie das Bressehuhn, die Sète-Austern oder die schwarzen spanischen Schweine für den Serrano-Schinken. Nur mit dem Unterschied, dass man die hochrückigen Aischgründer Spiegelkarpfen außerhalb ihres Aufzuchtgebiets meines Wissens nicht kaufen kann.

Auch in ihrer Heimat bekommt man sie grundsätzlich nur in den Monaten mit "R", also September bis April. Wer sie probieren möchte, sollte nicht bis zum Saisonende warten, denn meiner Erfahrung nach sind die knappen regionalen Bestände schon im März größtenteils verspeist. Meistens von den Franken selbst, die sich sofort nach dem Abfischen im Herbst ihre köstlichen Spiegelkarpfen einverleiben. Mit Kartoffelsalat als Beilage. Nein: Diese Tiere schmecken nicht schlammig-moorig-muffig und ihr Fleisch wabbelt nicht! Es ist mager, fest und hat einem nussigen, vollmundigen Geschmack, der leicht ins Süße changiert. Fett ist allein die frittierte Haut, aber panierte Schnitzel und Pommes sind das auch, und darüber beschwert sich kein Mensch. Blau gegart ist er dann extrem mager, aber wie das schmeckt kann ich nicht sagen - ich habe Karpfen niemals anders als gebacken zubereitet gegessen. Außerdem bekommt man kaum etwas Frischeres, denn erst bei Bestellung wird der zappelnde Todeskandidat aus seiner Wanne geholt und küchenfertig gemacht. Nur ein solcher Fisch krümmt sich so appetitlich auf dem Teller.

November ist erfahrungsgemäß ein guter Karfenmonat und unsere Freunde C. und M. hatten sich bereits erkundigt, wo wir ein gutes Stück Fisch bekommen könnten. Unser Wahl fiel auf Burgstall, einem winzigen Ort zwischen Tuchenbach (nur mit dem Auto zu erreichen) und Herzogenaurach. Letzteres kennt man von zwei wichtigen Sportherstellern und einem ehemaligen Fußballnationalspieler, in der Heimat Looda Maddäus ausgesprochen. Hier flechte ich unauffällig ein vollkommen unkulinarisches Detail ein, das in den offiziellen Matthäus-Biografien fehlt. Vielleicht bin ich dabei einem Prahlhans auf dem Leim gegangen, der immer behauptet, den Lothar "vu frieher" zu kennen. Nach dieser Auskunft hat der spätere Star des FC Bayern München die Jugendmannschaft der Frankenhöheauswahl mit seinem Spiel beglückt. Bekanntlich verschwand er dann mit kaum 18 Jahren nach Mönchengladbach. Auch der Karpfen konnte ihn nicht halten. Und Mitspieler, die heute behaupten, sie seien mindestens genauso gut gewesen, kickten bis zu den "Alten Herren" weiter bei Vereinen wie SV Rotweiß Mausdorf, FC Herzogenaurach oder dem TSV Markterlbach. Oder so. Zurück an den Wirtshaustisch.

Der Landgasthof Bär in Burgstall offeriert tatsächlich eine überzeugende Karpfenkarte. C., die sich nicht mit Gräten abmühen möchte, bestellt das Karpfenfilet, von dem sie später auch in den höchsten Tönen schwärmt. M., Wasabi und ich ordern - wie sollte es anders sein - jeweils einen halben Fisch. Der kommt nach angemessener Zeit und bin erstmal erschrocken über die Ausmaße. Während Wasabis 9-Euro-Exemplar genau die richtige Größe hat, überschritt mein Tier eindeutig die Idealgröße - der brachte vor der Halbierung eindeutig mehr als drei Pfund auf die Waage. Eine echte Herausforderung, die mich aber nicht schreckte, denn ich hatte Hunger, vom Appetit ganz abgesehen. Der letzte Karpfenschmaus war schon über ein Jahr her und der erste der Saison ist bekanntlich immer der beste.

Ich fange also an wie immer: Erst drehe ich ihm die knusprigen Schwanzflossen ab, verspeise sie krachend wie Kartoffelchips . Danach kommen die übrigen Extremitäten an die Reihe. Diese hier waren genau auf den Punkt frittiert. Dann arbeite ich mich vom Schwanz Richtung Kopf, ziehe das weiße Fleisch von den großen Gräten - kleine haben die Spiegelkarpfen nur noch sehr wenige. Köstlich. Zartnussig, schmelzend auf der Zunge. Der Kartoffelsalat, nach einheimischer Art ohne Mayonaise zubereitet, passt hervorragend dazu. Ein kleiner Wermutstropfen im Genuss allerdings war die Panade, die zu viel Fett aufgesogen hatte. Es könnte sein, dass das Fritieröl eine Spur zu kalt war, sei es dass die Küche zuviele Fische gleichzeitig garen wollte, sei es dass unser Exemplar einfach zu riesig war und die Friteuse deshalb zu stark abkühlte.

Milch und Rogen vom KarpfenKeine Ahnung wie man das schreibt: Fränkinnen und Franken sprechen es wie "Ing-graisch" aus.

Der Fisch selbst aber war hervorragend - keine Spur von Teichmuff (der mir, ehrlich! vollkommen unbekannt ist), nur vollmundiges weißes Fleisch. Als ich endlich beim Kopf angelangte und die Bäckchen aufknackte, musste ich den Gürtel lockern. Das lag aber auch an dem riesigen Teller mit Ingraisch, das M. als echter Kenner gleich mitbestellt hatte und an dem ich mich, geben wir es ruhig zu, eine Spur zu gierig bediente. Ingraisch (in der guten Wirtschaft gibt es das immer kostenlos dazu!) - das ist nichts anderes als Milch und Rogen vom Karpfen. Man kann sich natürlich bei der Vorstellung schütteln, ausgebackenes Fischsperma zu essen. Aber es schmeckt wirklich wunderbar, leicht sahnig mit einer kremigen Note und gar nicht fischig. Der Kenner bestellt es mit den Worten "Hamm sie a Ingraisch?" oder "Kämmer a Ingraisch hoom?" - sonst isst es die Küchenbesatzung selbst auf oder verschachert es an der Hintertür an die Stammgäste. 12,30 kostete meine Riesenhälfte, die mich sättigungstechnisch ans Limit brachte. Wasabi verspürte auch nach ihrem Exemplar keinen Hunger mehr, M. ließ sogar ein Stückchen übrig.

Fazit: Hervorragende Karpfen, preislich durchaus im gehobenen Mittelfeld. Leider wurde beim Backen ein bisschen daneben gegriffen. Wie sagte Wasabi, als wir recht gestopft zurückfuhren: "Punktgenaues Fritieren ist schon eine Kunst...". Stimmt. Wer es perfekt beherrscht, verraten wir in einer der letzten beiden FddF-Folgen.

Ein Besuch im Landgasthof Bär ist aber auf jeden Fall empfehlenswert. Bevor man aber zur Fahrt in die ländliche Ödnis aufbricht, ist ein Anruf ratsam. Sonst freut man sich auf einen schönen Karpfen mit Salat und dann haben die Franken schon alles selbst verdrückt.

Landgasthof Bär
Burgstall 29 - Herzogenaurach
Telefon 09132/747260

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