Im Südwesten Leipzigs war es nur einer Frage der Zeit, bis sich im Umfeld der zahlreichen jungen Familien neben den schon bekannten Cafés und Kneipen (Besser leben, Schlechtes Versteck, Café Nebenan, Mahlzeit) auch Restaurants ansiedeln würden. Ein solches hat sich seit einiger Zeit etwas abseits der Könneritzstraße – natürlich – in einem alten Industriehof eingenistet, genauer an der Ecke Stieglitz-/Holbeinstraße. Das hat den Nachteil, dass man kaum zufällig das KESSELHAUS findet, dafür aber den Vorteil, dass man dort eine äußerst ruhige Oase vorfindet. Reizvoll ist das vor allem im Sommer, wenn das durchweg junge Personal bei gutem Wetter die Tische in den Hof stellt den Grill anwirft.
Aber so lange muss man nicht warten, denn auch die reguläre Karte hat einiges zu bieten, vor allem Abwechslung: Das Standardangebot ist klein, dafür gibt es zahlreiche jahreszeitlich wechselnde Gerichte und all das ist jederzeit mit Preisen im Internet (www.kesselhaus-leipzig.de) einzusehen. Da der neue Kreuzer-Gastroführer behauptet, dass man die Bio-Zutaten tatsächlich schmecke, war ein Ortstermin unumgänglich.
Da es etwas zu feiern gab, spielte Geld keine Rolle. Das war auch notwendig, denn die Gerichte sind zwar auf den ersten Blick normal kalkuliert, aber nicht unbedingt für Bärenhunger geeignet. Hier muss man wohl dem Einkaufspreis der erlesenen Zutaten Tribut zollen. Zwei Garnelenspieße für knapp 10 Euro gönnt man sich sicher nicht jeden Tag. Dafür kamen sie frisch und knackig auf den Tisch, was auch für die Rauke (oder muss man jetzt Ruccola sagen?) und die Süßkartoffeln darunter galt. Auch das Dressing war angenehm dezent-kräuterig, nur die Mini-Zitronenscheiben waren wohl eher symbolisch gemeint. Meine Begleitung ließ sich von drei aromatischen Ziegenfrischkäse-Scheiben mit Honig und frischem Lavendel (6,30 EUR) einstimmen, verbrannte sich aber leider am vorgeheizten Teller fast die Finger.
Während wir bei ordentlich temperiertem Riesling und Rivaner (die Weißweinkarte ist nicht unbedingt riesig, aber solide) verschnauften, war das Personal eifrig dabei, ganz unkonventionell die Möblierung des Gastraums nach außen zu tragen, um dem Wunsch der Gäste nach Frischluft zu entsprechen. Diese freundliche Lockerheit gilt übrigens durchgängig, auch für Nachfragen zu Beschaffenheit und Menge der Speisen war es stets offen. Dann ging es ans Hauptessen: Meine Begleitung hätte ihre frischen Gnocci mit Paprikapesto und frisch geraspeltem Parmesan (7,60 EUR) gern aufgegessen, hatte aber auch kein Problem damit, den Rest mitzunehmen (dem Wunsch nach Verpackung wurde prompt und freundlich entsprochen). Meine knusprige Blätterteigpastete mit Hühnergeschnetzeltem und (nicht Dosen-) Champignons (8,20 EUR), die ein bisschen mehr Pfeffer vertragen hätten, schaffte ich ohne Mühe. Unsere gemischten Salate, die sogar mit ein wenig Kreuzkümmel garniert waren, waren lecker, ähnelten sich allerdings zum Verwechseln.
Zum Abschluss sollte es, wie es die Tageskarte an einer stilechten alten Blechtür offerierte, Panna Cotta sein. Die Früchte darauf waren frisch (die Preiselbeeren hatten sogar ihren Zweig mitgebracht) und die Creme fest und kühl. Das hätte schon der Abschluss sein sollen, aber die Küche überraschte uns noch mit einem kleinen Zitronensorbet auf Büffelgraswodka (also Zubrówka/Grasovka). Das hätte für meine Zunge noch etwas saurer sein können, war aber für den deutschen Durchschnittsgaumen mit Sicherheit optimal.
Fazit: Wer einen gut bezahlten Job oder etwas zu feiern hat und Wert auf Details und Ideen legt, ist hier sicherlich an der richtigen Adresse. Verhungterte mit kleinem Geldbeutel sollten lieber in einen der zahlreichen Dönerläden in der Umgebung ausweichen. Dafür entgeht ihnen aber der Charme des Schleußiger Lebens nach Sonnenuntergang. Wer hier sitzt, hat meist schon ausstudiert und braucht die Nabelschau der Südmeile nicht (mehr). Und wenn aus dem angrenzenden Tanzstudio die Pärchen kommen und auf dem Hof noch ein paar Schritte üben, hat das Ambiente im Sommer fast etwas Mediterranes.
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