Dienstag, 22. Mai 2007

Die allmähliche De-Elektrifizierung der Küche



Tyler Durden hatte Recht. „Irgendwann haben die Dinge dich.“ Dass wir alle schon längst den Zeitpunkt überschritten haben, wo wir noch mit einem gepackten Koffer verschwinden könnten – geschenkt. Aber gerade die Küche ist so ein Ort, wo manchmal nur schwer zwischen dem absolut Notwendigen und dem total Überflüssigen unterschieden werden kann.

Der deutsche Durchschnittshaushalt sammelt eine Armada von Kleinelektrogeräten an, die grob geschätzt jeweils einmal im Jahr zum Einsatz kommen. Häufigeres Benutzen würden manche Donutbäcker, Dörrautomaten, Elektropfannen, Tischgrills, Pocornbereiter, Toaster, Waffeleisen, Wasserkocher, Eierkocher, Kaffeemaschinen, Sandwichtoaster, Einkochautomaten, Friteusen, Entsafter, Brotbackautomaten, Raclettegrills, Mixer, Handrührgeräte, Küchenmaschinen, Eismaschinen, Joghurtbereiter, Brotschneidemaschinen, Pürierstäbe, Mikrowellen, Kaffeemühlen, Salz- und Pfeffermühlen, Fleischwölfe, Elektromesser, Elektrodosenöffner auch gar nicht aushalten, so lumpig, wie die verarbeitet sind. Aber was nur im Schrank steht, kann auch nicht kaputtgehen.

Im Leckeressen-Haushalt geht es jetzt einen Schritt zurück in die 50er Jahre. Der Zeitpunkt war gekommen, als der Kaffeeladen letztes Jahr die Preise in kurzer Zeit fast verdoppelte. Bei mehr als sieben Euro für 250g Espresso war meine persönliche Schmerzgrenze überschritten. Abgepackter gemahlener Espresso aus dem Supermarkt ist aber geschmacklich keine Alternative, vor allem weil da angeblich undeklariert alle möglichen Schweinereien rein dürfen, zum Beispiel Bohnenmehl und Röstrückstände - sagt der Kaffeeladenbesitzer. (Ich habe mich bemüht, das zu verifizieren, bisher erfolglos - Udo Pollmer, übernehmen Sie!).
Also selber mahlen – aber jeden Morgen vor der ersten Tasse Kaffee das nervtötende mnjäääääääääähhh-Geräusch, wenn eine rotierende Klinge in der Kaffeemühle Kaffeebohnen zerschlägt?

Da Bekannte eine mechanische Kaffeemühle regelmäßig, wenn auch nicht täglich benutzen, und ihnen bisher noch nicht die Arme abgefallen waren, erschien mir mechanisches Mahlen als echte Alternative. Zwar haben sowohl die (inzwischen insolvente) Pfeffermühlenfirma Zassenhaus, als auch Bodum mechanische Kaffeemühlen zu stolzen Preisen im Programm, der Besuch in einem dieser Küchenparadiese am Rande der Leipziger Innenstadt, wo der überambitionierte Hobbykoch so seinen Schnickschnack kauft, ergab aber, dass der Inhaber mir sowas nicht verkaufen wollte. Er prophezeite mir, ich werde das händische Mahlen nach drei Versuchen sowieso entnervt aufgeben. Da sich im Gespräch herausstellte, dass ich meinen Espresso im Kännchen auf der Herdplatte koche (übrigens wie ein paar Millionen Italiener auch), hatte ich gegenüber diesem Experten sowieso verloren. Das sei ja sowieso gar kein Espresso, sondern ein Moka, alles viel zu unpräzise und der Dampfdruck am Kaffeepulver viel zu gering (wer jetzt, genau wie ich, keine Ahnung hat und sich in die Materie einarbeiten möchte, der möge hier weiterlesen.)

Seit Anfang des Jahres nun wird trotz aller Widrigkeiten gekurbelt. Die Kaffeemühle kam als Überraschungspaket ins Haus – K. und H. in Bozen waren auf einem Flohmarkt erfolgreich. Seither ist die Mühle täglich im Gebrauch, und siehe da, meine Arme sind noch dran, die Geräuschentwicklung ist nicht der Rede wert, der Kaffee schmeckt wieder, und die Mühle wird vermutlich mindestens weitere 50 Jahre halten.

Natürlich war das jetzt nicht der Startschuss hin zu weniger Gerät in der Küche – im Gegenteil. Die tolle Kaffeemühle hat mich erst auf den Geschmack gebracht. Seit einigen Wochen nenne ich einen mechanischen Fleischwolf mein eigen, ein schweres, gusseisernes Teil, das vermutlich seit 1871 unverändert hergestellt wird und von dem ich inständig hoffe, es möge mir nie, nie, nie auf den Fuß fallen. Ein elektrischer Fleischwolf kostet im Kaufhaus übrigens schlappe 139 Euro, meinen mechanischen bekam ich für knapp sechs Euro bei Ebay. Die Suche nach Lammhack gehört damit der Vergangenheit an, die Masse für dänische Leberpastete lässt sich damit wunderbar gleichmäßig durchdrehen, es kann öfter mal libanesische Huhn-Pistazien-Bällchen geben und der Exitus des Pürierstabs, der zuletzt schon immer so verdächtig nach überanstrengtem Elektromotor roch, wird noch einige Zeit auf sich warten lassen.

Ergänzung am 24.5.
Ich mag gutes Essen! hat in der Kaffeeverordnung folgendes gefunden:

§ 3, Absatz 2:
Gewerbsmäßig dürfen nicht in den Verkehr gebracht werden [...]
2.
Röstkaffee, der mehr als zwei Gramm kaffeefremde Bestandteile in
einem Kilogramm enthält, wenn er nicht als unverlesener Kaffee
oder Ausschusskaffee kenntlich gemacht ist,[...]

2 Gramm - heißt bei einem Kilo 2 Promille... Viel Sparpotenzial für Kaffeepanscher sehe ich darin nicht - oder gelten Rostrückstände womöglich nicht als "kaffeefremde Bestandteile"? Wir bleiben dran.

3 Kommentare:

Looza hat gesagt…

Ich kann Brot nicht sehr gut mit Messer schneiden und wollte deswegen eine Brotschneidemaschine haben. Da ich eben grade nicht wegen so ner kleinen Aufgabe Strom verbrauchen wollte sollte es eine mit Kurbel sein.

Ich habe schlußendlich drei Wochen gebraucht, in Versandhandeln gibts sowas gar nicht, in den A&Vs haben sie das nicht weil sich das für die nicht lohnt, schlußendlich fand ich auf Ebay jemanden der eine verkauft hat (war auch ein Problem, da gibts die eigentlich nur in der "Antiquitäten"-Ecke, teils verrostet, hundealt und sicher nicht mehr scharf.)

War mal wieder sehr lehrreich, die ganze Aktion.

GutesEssen hat gesagt…

Die Messerscheibe kann man aber in jedem Messerladen schleifen lassen.
Wenn das schön scharf ist, lässt sich gute Salami damit in hauchdünne Scheiben schneiden.

Anonym hat gesagt…

Messer kann man ja noch gut selbst schleifen. Aber der letzte Laden, der noch richtig Scheren oder andere ungewohnte Dinge schleifen kann ist Messer Müller in der Eisenbahnstraße.
Das nur dazu :)!

Ansonsten: Interessanter Artikel!

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