Samstag, 7. April 2007

Auswärts essen: Die Emanzipation vom Pseudo-Cappuccino

"Der weite Marktplatz von Dessau, der zurückbleibt, ist an diesem Freitagnachmittag leer, wie auf Anordnung gesäubert. Über dem Pflaster liegt eine Stille, die nichts Erholsames hat; eine Abwesenheit drückt sich aus in ihr, als fehle etwas Wichtiges."
Ganz schön niederschmetternd, was Jörg Burger vor drei vier Jahren in der Zeit schrieb. Aber da hatte gerade eine "repräsentative Umfrage" die Menschen in der Region Dessau als die unzufriedensten Bürger Deutschlands identifiziert. Die Zeit verschweigt elegant die Quelle, ich vermute aber, dass damit das Machwerk der Perspektive Deutschland gemeint ist. Woran die Leute die Zufriedenheit festmachten, verrät die Studie nicht, vielleicht war ja die schlechte Küche mit an der Miesepeterei schuld. Inzwischen hat sich die schlechte Laune gebessert, das gastronomische Angebot hat sich nämlich auch seit meinem letzten Besuch (circa 2004) eindeutig verbessert.

Gestern waren wir wieder in Dessau und zumindest mit dem Kaffee und Kuchen-Angebot waren wir sehr zufrieden, justament auf dem Marktplatz, der zwar immer noch weit und gar nicht so sauber ist, aber inzwischen die Anwesenheit mehrerer Cafés genießt. Erschöpft von einem Rundgang von gefühlten 15 Kilometern im Luisium waren wir noch in die Stadt gefahren und wankten von dort in die Brasserie l'Appart, die mit ihren roten Markisen lockte. Zur Begrüßung gab es ein "Bonjour" mit Lächeln und deutschem Akzent, worauf ich wirklich nicht vorbereitet war. Aus der Bistrokarte wählten wir zweimal Zitronentarte, dazu Cappuccino. Ich hatte erst ein wenig Angst, denn noch vor wenigen Jahren bekam man dann in vielen Gastwirtschaften einen Brühkaffee mit Sprühsahne. Aber alle Bedenken verflüchtigten sich, als der Cappuccino (den es in Frankreich gar nicht gibt) serviert wurde. Ein tadelloser Trank, auch im Preis großstädtisch, und die Tarte aus frischem Mürbeteig war ein echtes Leckerchen. Gottseidank, denn ich hatte mich gegen Flammkuchen (war mir zu deftig) und Crêpes (dann doch lieber nichts Warmes) entschieden. Das ist doch ein echtes Zeichen, wenn Menschen sich mit anständiger Gastronomie ins immer noch recht öde Dessau wagen. Als Wochenend- oder Feiertagsausflügler hat man damit schon eine nette Anlaufstelle. Wo guter Kaffee ist, da ist Hoffnung.

Update: Wer sich wundert, dass er/sie auf www.perspektive-deutschland.de landet und nichts von Dessau zu sehen bekommt, der wundert sich zu recht. Abhilfe: Ganz unten auf der Seite den Reiter "Ländliche Regionen" anklicken und "Dessau" wählen. Dann sehen wir, dass die Region mit 38 Prozent Zufriedenheit auf Platz 114 landet.

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