Sonntag, 25. März 2007

"Tödliche Delicatessen" in der Brasserie

Mit potentiell lebensbedrohlichen Lebensmitteln will ich nichts zu tun haben (nein, selbst gesammelte Pilze gehören nicht in diese Kategorie). Lokale die damit locken, locken nicht - sie schrecken. Gestern Abend aber machte ich eine Ausnahme, die Bedrohung in der Brasserie am Rosental war nämlich nur rein virtueller Natur. Die Erklärung ist simpel: In Leipzig war bis heute Buchmesse und so ungefähr jede Kneipe, jedes Restaurant, jedes Szenelokal im Stadtzentrum holt sich Autoren ins Haus, gerne auch mit kulinarischen Themen.

Ich hatte zwar keinen Hunger (dämonisch-guter Geburtstagsbrunch bei A.!), aber wenn man schon mal da ist - ein Blick in die Karte schadet nichts. Schließlich kannte ich die Brasserie nur von Außen. Ich huschte also rein, um festzustellen, dass alle Tische in der Schummerbude besetzt waren. Das Kellerlokal ist aber auch winzig. Höchstens zehn Tische, und die sind auch noch sehr klein. Also verschob ich den Essenstest vorläufig auf danach, als Lesungsnachtisch sozusagen und suchte mir einen freien Stuhl in der Nähe des Vorlesers. Wer jetzt gleich wissen möchte, was die Brasserie mir servierte, kann den folgenden Teil getrost überspringen.

Was wir zu hören bekamen, erinnerte mich ein wenig an Don Alphonos Liquide. Insidergeschichten aus der Szene, nur dass nicht um Dotcoms sondern um die Berliner Gastronomie geht - um Restaurantkritiker, Zeitungsredakteure, eitle Halbpromis. Autor Thomas Askan Vierich war selbst Restaurantkritiker in Berlin, und wenn seine Geschichte auch etwas von einer Seifenoper hat, und der Stadtmagazinstil an allen Ecken und Enden durchschlägt - Vierig versteht einfach was vom Essen und Trinken. Vor, während, nach den Lesepassagen streute er immer kleine Fress-Anekdoten ein, bejammerte die Schwierigkeit, noch ein Gasthaus mit einfacher, bodenständiger Küchen zu finden ("es gibt kaum noch anständigem Schweinebraten"), schon gar nicht in Brandenburg. Jep. Der Mann weiß, was schlecht ist. Aber er kennt auch das Gute und schätzt es. In der folgenden Szene lässt uns der Autor teilhaben, wie der gehasste Restaurantkritiker zwischen Hauptgang und Käseplatte spektakulär verscheidet. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob Schokoladenpudding bei Gourmets dieses Kalibers wirklich akzeptiert wäre.


Ich mag diese Stelle, denn des hier versterbenden Herrn Pompels Wahlspruch war "Wer nicht an die Karotte glaubt, ist verloren". Und ich bin kurz davor, für dieses eigentlich wunderbare Gemüse verloren zu sein. Durchs Bild huscht hier übrigens die sehr nette und aufmerksame Bedienung, die in bewunderswerter Weise ohne Teller- und Glasverlust durch den engen Gastraum balancierte.

So, und dann war alles vorbei und ich durchforstete die Speisekarte, bestellte - schon wieder ganz hungrig - feines Kalbsragout mit Waldpilzen in Kräuterrahmsoße und hausgemachten Semmelknödeln (11,50 Euro). An die Weine traute ich mich gestern nicht mehr ran, das hätte dann die Heimfahrt per Taxi bedeutet. Aber zu diesem Ragout hätte gut ein leichter Riesling gepasst, denn trotz der Schwammerl war es recht zurückhaltend im Geschmack, dafür sehr rahmig. Die Semmelklöße waren angenehm locker, in Scheiben geschnitten und in der Pfanne kurz in Butter angeröstet. So habe ich sie zwar bisher selten bekommen, aber es harmonierte gut mit der Soße. An den Fleischstückchen musste ich ziemlich herumkauen - eindeutig Kalb, aber ein bisschen trocken. Muss bei einem Ragout wirklich nicht sein. Von meinen Möhrenproblemen konnte der Koch nichts wissen, deshalb bekommen die Wurzelscheibchen in der Rahmsoße von mir ein Doppelplus. Wenn ich wieder welche mag, probiere ich das auch aus. Im Laufe des Mahls stellte sich dann doch heraus, dass ich nicht so hungrig war, wie ich erst gedacht hatte und die Portion war fast zu reichlich für mich. Nein, es ging auch ohne Pfauenfeder oder Magenbitter. Auf jeden Fall steht die Brasserie jetzt auf meiner da-gehen-wir-nochmal-hin-Liste. Ehrlich gesagt teste ich lieber selbst, als von Leuten zu hören, die beim Testen sterben.

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