Man wundert sich ja schon, was Leute im Supermarkt so alles aufs Band packen. Beispiel: Schnitzelstücke aus dem Sonderangebot, daneben die Tüten eines bekannten Fertiggerichtherstellers. Dann werden am Abend Jägerrahmschnitzel kredenzt. Nudeln, Reibekäse, Tüte: das wird vermutlich ein überbackener Nudelauflauf. Die armen Menschen, denke ich mir dann, haben keinen Rahm zuhause, weder Pfeffer noch Salz, auch keinen Fond und kein Eigelb zum Legieren, nicht mal ein Löffelchen Stärke. Selbst Schalotten oder eine schnöde Zwiebel für den Geschmack und Weißwein zum Ablöschen des Bratensatzes fehlen.
Ein Hauch von Italien: Zypressen und ein leckeres Nudelgericht. Da bekommt man doch Appetit!
Aber die Tütenkocher sind noch gut dran. Jedenfalls verglichen mit dem, was sich Menschen mit Dosenbilliggerichten antun. Als ich eines Tages vor einem Konservenstapel stand, wollte ich es wissen. Ich startete einen Selbstversuch mit einem Gericht, das laut Etikett „Spaghetti in Tomatensoße“ darstellen soll.
Vorab: es ist mir unbegreiflich, warum jemand so etwas mehr als einmal freiwillig isst. Doch es scheint in diesem Land tausende von Menschen zu geben, die regelmäßig zu Dosen wie dieser greifen. Warum sonst sollten Lebensmittelsupermärkte und Discounter ganze Regalmeter damit füllen und das bei einem relativ geringen Preis, der kaum Gewinne verspricht. Relativ deshalb, weil, wie wir bald sehen werden, die Zutaten derart billig sind (Wasser, Zucker, Salz, Stärke), dass dieser Seim im Grunde heillos überteuert ist.
So liebe(r) Leser(in) – du musst jetzt ganz stark sein. Denn wir beginnen mit den Inhaltsstoffen. Dem Etikett entnehme ich, dass der Inhalt zu drei Vierteln aus Soße besteht.
Mamma mia! Wusste gar nicht, dass Guar und Glutamat zu den Grundzutaten italienischer Küche gehören.
Hauptbestandteil ist Wasser. Wasser ist billig. Für 1000 Liter sind in Berlin derzeit um die fünf Euro zu zahlen. Das reicht für deutlich mehr als 1000 solcher Dosen. Dann ist ein bisschen Tomatenmark beigemischt und - ebenfalls sehr billig zu haben - Zucker und Salz in nicht weiter erläuterten Mengen. Aroma und Gewürze sind angeblich auch drin, aber wohl nicht genug, um nennenswert Geschmack zu erzeugen. Deshalb brauchen wir Glutamat. Wofür das Säuerungsmittel ist, erschließt sich nicht sofort. Aber vielleicht soll damit die Süße des Zuckers gemildert werden. Denn damit diese Mixtur dann nicht gar zu suppig daherkommt, hat der Hersteller Guarkernmehl dazugegeben – ein Stoff der schon in kleinen Dosen jede Menge Wasser binden kann. Leider neigt Guar zum Gelieren, verhindert werden kann das wieder mit Zucker.
Aha! Und wo sind die Spaghetti?
Nur ein Viertel der Konserve besteht aus Nudeln – wenn ich Spaghetti selbst zubereite, habe ich immer deutlich mehr Pasta als Soße auf dem Teller. Nur so nebenbei bemerkt.
Die Nudeln bestehen aus Wasser, Hartweizen, Eiweiß (in dieser Reihenfolge). Wir erinnern uns: Wasser ist billig. Das Eiweiß hält den wässrigen Teig zusammen; für eine echte Eiernudel hat es aber nicht gereicht, es fehlt das Eigelb. Kein Wunder, dass unter dem Weißblechdeckel recht blasse Fädchen zum Vorschein kommen.
Der Anblick ist durchaus nicht erfreulich: eine glibberig glänzende rote Masse mit weißen Würmern. Ein süßlicher, an Karamel erinnernder Geruch steigt auf. Kein Rosmarin, kein Oregano. Kein Duft von Knoblauch und Tomaten.
Gleich dünnflüssiger Lava gleitet die Masse in den Topf; auf kleiner Flamme vorsichtig erhitzt, ist sie nach ein paar Minuten warm. Der amorphe Zustand ist erstaunlich stabil, auch auf dem Teller glänzt dank der Stärke die Oberfläche wie lackiert. Kein schöner Anblick.
Sind Spaghetti nicht so lange Nudeln, die man auf die Gabel aufrollt? Diese Dinger kann man nur mit dem Löffel essen.
Wer A sagt, muss auch B sagen. Ich nehme den ersten Löffel, trotz meiner Vorahnungen bin ich überrascht. Und zwar über diese unglaubliche Geschmacksarmut. Das Süße dominiert neben dem Salzigen, darüber liegt ein Hauch wie von Malz oder angebranntem Karamell, eine eigenartig brandig dumpfe Anmutung. Selbst wenn die Gewürze neben dem angeblich enthaltenen Rosmarin namentlich genannt wären – ich könnte sie nicht herausschmecken. Was steuert eigentlich das Tomatenmark bei, außer der roten Farbe? Die Nudeln sind nicht mehr als Füllmaterial. Wie ihre Farbe, so der Geschmack: nicht vorhanden.
Weshalb isst man, wenn man schon keinen Genuss am Essen findet? Weil man Hunger hat. Der kommt aber nach diesem Gericht sehr bald zurück, wenn man Pech hat, schlimmer als zuvor. Mein Magen ist erstmal gut gefüllt, kein Wunder bei der ganzen Flüssigkeit. Aber die absorbiert der Körper innerhalb kurzer Zeit. Von dem ganzen Zucker angeregt, pumpt die Bauchspeicheldrüse ordentlich Insulin ins Blut. Leider aber trifft es auf nichts von Substanz, denn die paar Nudeln sind schneller verdaut, als meine Körper die Insulinproduktion drosseln kann.
Eine halbe Stunde nach dem Festmahl – die meiste Soße habe ich sowieso auf dem Teller gelassen – muss ich mir erstmal ein Butterbrot schmieren. Um den dumpfen Geschmack loszuwerden und das leere Gefühl im Bauch zu bekämpfen.
Fazit: Erster und letzter Versuch. Ekelhaft.
4 Kommentare:
Toller Artikel, auch wenn ich leider sagen muss dass mir genau diese Spaghetti recht gut schmeckt. Aber selber machen ist natürlich immernoch besser, keine Frage.
Mutiger Selbsttest :)
Was hat denn die Dose gekostet?
Ich würde sagen für maximal 1.20€ würde man 3-4 Personen mit Pasta und selbstgemachter Tomatensoße verköstigt bekommen.
@kreuzberger: Ich weiß nicht mehr genau. Aber es war, glaube ich, sogar weniger als 1 Euro. Allerdings bekommst du mit dem Zeugs nicht mal 2 Personen satt. Eher zum kotzen :-)
Haha, sehr nett zu lesen.
Ich geb mir das "Dosenfutter" ca. alle 5 Jahre einmal und hoffe immer es hat sich was geändert. Die Industrie könnte sich ja entwickeln...
Denkste! Eigentlich immer nur eklig, auch wenn es vom Markenhersteller kommt.
Fazit: Dosenfutter überlass ich dem treuen Vierbeiner. :-)
Aber danke für die Bestätigung.
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