Montag, 9. März 2009

Schlittenhunde müssen draußen bleiben



Vor ein paar Wochen gabs ein bißchen was zu feiern, und so nutzten GutesEssen und ich die Gelegenheit, zum ersten Mal seit längerer Zeit mal wieder etwas ausgedehnter zu tafeln. In den letzten Monaten hatten wir uns sowas nämlich gar nicht mehr gegönnt, was wohl einer Kombination aus Minusgraden, Erkältungen und ganz allgemein dem Wunsch, das heimische Sofa nicht zu verlassen, geschuldet war.

Über das Nansen (ohne Webseite) am Maybachufer 39, am Anfang der Nansenstraße im jetzt ja totaaaal angesagten Nord-Neukölln, einer Neueröffnung des Jahres 2008, gab es in der Berliner Gastropresse schon einiges Gutes zu lesen. Vor allem die täglich wechselnde Karte und dass der Koch auch vor Innereien nicht zurückschreckt, ließen uns aufhorchen. Natürlich nicht nur uns – zumindest am Samstag sollte man vorsichtshalber reservieren. Das hatten wir am Freitag versäumt, enterten daher das Lokal, das um 18.00 Uhr öffnet, vorsichtshalber schon eine halbe Stunde später und hatten noch fast freie Auswahl in dem kahlen, aber schummerig beleuchteten Raum rechts des Eingangs. Der Bereich links vor der Bar wird anscheinend als nicht ganz regelkonformer Raucherbereich genutzt. Eine Abtrennung gibt es zwar nicht, aber der Rauch zieht glücklicherweise fast gar nicht in den Restaurantteil rüber.

Die freundliche Bedienung brachte die Speisekarte – ein per Hand beschriftetes und fotokopiertes DinA4-Blatt mit zwei Vorspeisen, einer Suppe, fünf Hauptgerichten und zwei Desserts – und die Getränkekarte, eine fast quadratische, schon ziemlich lädierte Klappkarte mit eingelegten losen Blättern. Die Getränke haben angenehm niedrige Preise: ein kleines Bier kostet 1,90, eine kleine Apfelschorle 1,60. Außer den üblichen Verdächtigen gibt es auch noch eine schöne Cocktailauswahl (um die 6 Euro). Auf die kleine Weinkarte warf ich nur einen ganz kurzen Blick, sie enthält nur sehr spärliche Informationen zu den Weinen, die fast alle auch glasweise zu haben sind und kann daher mit den Maßstäben, die vom Essen vorgegeben werden, nicht ganz mithalten.
Die Bestellung des Essens erforderte trotz der kleinen Auswahl etwas längere Bedenkzeit - Gänserillete oder Tintenfisch als Vorspeise? Und dann vegetarisch (Gebackene Rote Bete, Buchweizenpfannkuchen und noch etwas), oder Wild (Frischlingskeule) oder Kalbsleber, oder Fisch oder Geflügel? Die Bestellung des Desserts (Sorbet oder Zitronenpannacotta) verschoben wir vorsichtshalber auf später.

Nach der Bestellung kam sehr schnell ein Brotkorb und etwas Kräutercreme, und dann sehr bald auch die Vorspeise, gefüllte Tintenfischtuben mit warmen Blumenkohlsalat (7,80). Tintenfisch und Blumenkohl harmonierten sehr gut miteinander: die Tintenfischkörper mit ihrer milden, buttrigen Semmelbröselfüllung waren leicht angebraten worden und lagen in Scheiben geschnitten lauwarm auf dem Teller, die ankaramelisierten Blumenkohlröschen wurden von einer süß-saueren Soße mit körnigem Senf begleitet.

Währenddessen hatte sich das Lokal ganz gut gefüllt und die zwei Personen-Besatzung (ein Getränkezapfer und die Bedienung) hatte zunehmend Schwierigkeiten, mit den Bestellungen fertigzuwerden. Folgerichtig wurde mir beim Abtragen des leeren Vorspeisentellers auch das Besteck wieder in die Hand gedrückt, zur gefälligen Weiterbenutzung beim Hauptgang. Klar, neues Besteck wäre nochmal ein Weg hin-zurück gewesen, außerdem sterbe ich nicht, wenn ich mein Tintenfischmesser auch für die Leber benutzen muss (ja, es wäre sogar noch genügend Zeit gewesen, das Messer vor dem Hauptgang sauber zu lecken) - aber diese Gewohnheit (die des Besteck-Weiterbenutzens, nicht die des Messerableckens!) erinnert mich doch sehr an WG-Küche oder Familientisch, wenn kein Geschirrspüler vorhanden ist.

Nichtsdestotrotz waren die Hauptgerichte wunderbar. Gutesessens rosa gebratene Frischlingskeule (17,50) war eine Riesenportion, das Fleisch sehr ausdrucksstark mit Pfeffer und Sternanis gewürzt, dazu gabs Quittenchutney (auch mit Sternanis), Serviettenknödel und angeschmorten Radicchio mit dezidierter Bitternote. Meine Milchskalbsleber (15,20) kam in zwei Stücken - einem großen, flachen und einem ebenfalls großen, dicken - die dennoch beide genau richtig innen leicht rosa, außen leicht gebräunt waren. Gerade bei dem dicken Stück war ich zunächst etwas skeptisch, da nach meiner Erfahrung aus der heimischen Küche gebratene Kalbsleber höchstens 7mm dick sein darf, um noch einen angenehmen Biß zu haben. Aber Milchkalbsleber ist offensichtlich ein anderer Fall, bzw. hat das Nansen einfach einen besseren Kalbsleberlieferanten als ich. Zur Leber gab fast klassische Beilagen - nicht weiter bemerkenswerte Polentaschnitten, gedünstete Birnen und statt Zwiebelringen fritierten Lauch. Letzterer kam, da in der Küche vergessen, allerdings erst auf Nachfrage auf einem Extrateller.

Die Bestellung der Zitronenpanacotta (4,80) gegen 20.00 Uhr gestaltete sich dann etwas schwierig. Zwar galoppelte inzwischen eine weitere Bedienung durch den jetzt gut gefüllten Raum, die Aufmerksamkeit der Damen auf uns zu lenken gelang aber erst nach mehreren Anläufen. Da sich die Hektik der hart arbeitenden, hin- und hereilenden Servierdamen schließlich auch auf uns übertrug, verzichteten wir auf weitere Getränkewünsche, erkämpften nach der Pannacotta (erinnerte überraschend aber nicht uninteressant an Käsekuchenfüllung) die Rechnung und verließen mit dem Essen sehr zufrieden, aber leicht erschöpft das Lokal. Fazit: Wegen des Essens würde ich wieder hingehen, aber dann an einem Wochentag in der Hoffnung, dass die Atmosphäre etwas entspannter ist.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Innereien... so seit Ihr also drauf. .-)

Klingt ja alles sehr interessant.

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