Hm, wie könnte man am adäquatesten den fleißigen Fressbloggern zum 100. bzw 1. gratulieren? Meiner höchstsubjektiven Meinung nach natürlich mit einem neuen Eintrag. Und der enthält folgerichtig nicht das versprochene Soljankarezept, denn man braucht ja noch Ziele, denen man entgegen streben kann. Vielmehr will ich hier mit etwas dienen, womit alles begann: Der Zerpflückung einer Leipziger Lokation.
Denn es gibt Neues an der Pleiße. Fleißige Leser der Gastro-Rubrik des Stadtmagazins Kreuzer werden es kaum übersehen haben, denn dort wurde das Lokal im Januar ausführlich besprochen, leider reichlich neutral. Es blieb also nur eines - selber essen macht klug. Also zog es mich, von einer feierwütigen Menschengruppe umrahmt, am Faschingsdienstag ins Rodizio in die Jacobstraße 2, mit virtuellem Blick auf die nicht mehr existierende Blechbrücke am Tröndlinring.
Zuerst einige Worte zum Konzept des Restaurants, das immerhin in Leipzig Neues verheißt - brasilianisch soll es hier zugehen. Angeblich gibt es Lokale dieser Art in Brasilien in jedem Kuhdorf und die dazu passenden Kühe und andere Tiere werden dort in großen Mengen direkt vom Grillspieß gesäbelt. So auch der Ansatz an der Pleiße: Man kann zwar a la carte futtern, originell wird es aber erst bei den sog. "Rodizios". Hierbei zahlt man einmal für alles (gilt nicht für Getränke), kann das gesamte Buffet abräumen und bekommt alle Fleischbrocken direkt an den Tisch gebracht.
Das sieht folgendermaßen aus: Man ordert das kleine Rodizio (fünf Gänge) zu 17,80 EUR oder das große (neun Gänge) zu 19,80 EUR, bekommt eine kleine Tischampel (= Stück Holz) mit rotem und grünem Ende und signalisiert durch das nach oben zeigende grüne Ende, dass man aufnahmebreit ist. Dann kommt früher oder später eine junge Dame mit einem Riesenspieß angestiefelt, säbelt ein Stück ab und versucht, es halbwegs elegant auf den Teller zu bugsieren. Vorläufig noch etwas ungelenk, aber man hat ja gerade erst eröffnet. Dann geht es Schlag auf Schlag, es folgen in genau dieser Reihenfolge: Kasseler, Chorizo, Spare ribs, Hühnchenschenkel, Pute im Speckmantel, Boulette, Schweinebraten, Lamm und brasilianisches Rind. Wer etwas davon besonders liebte, kann am Ende noch nachordern, wenn er/sie dazu noch in der Lage ist.
Ich war es nicht, was vor allem an der unglaublichen Fleischmenge (zu viel für einen, der in letzter Zeit nur noch sehr selten totes Tier isst) und an den erheblichen Qualitätsschwankungen lag. Denn ich habe mich in selbstzerstörerischer Manier zugunsten des Lecker-Essen-Geburtstags mit der Maxiversion gegeißelt, auch weil nur dort Lamm und Rind lockten. Mein subjektives Fazit dieses Abends: Der Kasseler war angenehm unsalzig, aber die Kruste schon fast zu schwarz, die laut Karte "feurige" Chorizo mild und sehr fettig, die Spare ribs solide und reichhaltig, die Pute im Speckmantel (mit nicht zu viel Speck) der Gewinner des Abends, die Boulette durchgegrillt, aber etwas zu groß und kümmellastig, der Scheinebraten unspektakulär, das Lamm in Wirklichkeit ein Hammel (was für mich persönlich ein Gewinn war, für meine Essgenossen aber Folter, die in Essverweigerung mündete) und das Rind zum Schluss hochgradig englisch und bis zur Unessbarkeit von Sehnen durchsetzt.
Zum Menü gehören standardmäßig (auch in der kleinen Variante) noch leckeres hausgemachtes Portweineis (das wohl wirklich hausgemacht war, weil nicht allzu cremig, sondern etwas wasser-krisselig) mit Mango-Kiwi-Püree, das von der Konsistenz her eher eine Soße war, und flambierte Ananas. Es sieht sehr hübsch aus, wie sie ebenfalls am Spieß gebracht und direkt am Tisch flambiert wird, aber das Verspeisen offenbart das Dilemma, das im ganzen System steckt. Während meine Nachbarin schwärmte, kaute ich lustlos auf einem geschmacklsen, unzerbeißlichen Strunk herum. Und diese Unregelmäßigkeiten zogen sich fast durchs ganze Menü - wer Glück hatte, bekam etwas mehr Kruste, die anderen eben nicht bzw. nicht durchgegrillte Stücke, ebenso beim Rind, das wunderbar zart oder eben versehnt war. Auch die Größe der Stücke schwankte stark (außer bei den Einzelstücken - Ribs, Boulette, Pute, Chorizo).
Natürlich gibt es auch Vorteilhaftes zu berichten. Man kann die Essgeschwindigkeit selbst bestimmen, da man ja über die Ampel verfügt, so dass wir letztenendes ca. drei Stunden lang kauten. Außerdem steht allen Rodizio-Bestellern das Buffet zur Verfügung, an dem man sich für 13,50 EUR auch ohne Spießbürgerei vergreifen darf. Das würde ich allerdings nicht tun, denn es bietet zwar angenehm viele Soßen (mit Sicherheit nicht alle hausgemacht), aber wenig Sättigendes. Vegetarier verzweifeln sicher daran, denn außer Sauerkraut, Kartoffelecken, Olivenbrot und überbackenen Nudeln finden sie nicht viel Nährstoffreiches. Selbst der Couscous kommt nicht ohne Kochschinken aus. Die - immerhin vegetarischen - Dessertgläser (rote Grütze im Ost-Stil, also knallrosa, ohne erkennbaren Fruchtgeschmack mit Vanilesauce) waren sicher auch nicht das schlagende Argument für die Buffetvariante.
Fazit: Wenn man in Gesellschaft einen langen Abend verbringen, dabei extem viel essen und trinken und mal was Originelles machen will, kann man sich ganz gut im "Rodizio" amüsieren - vorausgesetzt, man ist kein Gourmet, hat zu viel Geld und isst nach der Devise "Hauptsache wat zwischen de Kiemen". Außerdem sollte man einen enormen Getränkeverbrauch einkalkulieren, denn die Speisen verlangen nach Begleitflüssigkeit. Mir hat der nachwirkende Durst noch eine unangenehme Nacht beschert. Caipirinha und Wein bzw. brasilianisches Bier sind da kein Ausweg, weil zu unergiebig und auch nicht gerade billig. Vielleicht sollte man es mal a la carte probieren, die gesamte Karte im Original-Layout findet man auf der Homepage. Da gibt's sogar Fisch.
Und jetzt wird erst einmal gefastet. Es wird mir nicht schwer fallen.
2 Kommentare:
Da sollte ich vielleicht mal hin, klingt witzig. Vor allem die Preisgestaltung: Wenn ich 2 Euro mehr zahle, was überschlagen etwa 12 Prozent sind, bekomme ich 80 Prozent mehr Gänge? Statt 5 dann 9? Da brauche ich auch einen Tag nichts mehr essen.
So ist es - auch wenn es wie ein Verschreiber aussieht, die zwei Euro Differenz machen einen gewaltigen Unterschied aus. Vor allem, weil die wirklich wertvollen und somit auch teureren Fleischsorten sich unter den letzten vier Kandidaten versteckt haben. Aber wer Kleingeld zählt, ist dort ohnehin falsch.
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